Die Hannoversche Orchstervereinigung in der Presse – wir setzen uns bei den Medien als Orchester in Scene. Lesen Sie die Kritiken zu unseren Konzerten.

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Hannover, 17. März 2025
Souverän und verbindend
Orchestervereinigung und Jugendsinfonieorchester im NDR-Konzerthaus

Mit frischem symphonischem Glanz: Die Hannoversche Orchestervereinigung unter der Leitung von Martin Lille.
Nordische Romantik, englische Melancholie und amerikanisches Crossover –das waren die musikalischen Essenzen, aus denen die Hannoversche Orchestervereinigung (HOV) im NDR-Konzerthaus ein delikates Konzertmenü bereitete. So standen Niels W. Gades Ouvertüre „Nachklänge aus Ossian“ neben Edward Elgars Cellokonzert und der 2. Sinfonie von Charles Ives auf dem Programm.
Für ein Amateurorchester, wie es die HOV ist, bedeuten diese Kompositionen mit ihren hohen Ansprüchen an Intonation, Artikulation, rhythmischer Präzision, Klangbalance und Spieltechnik eine riesige Herausforderung. Das Orchester kam durch die souveräne Leitung von Martin Lille und das hohe spielerische Niveau des Ensembles damit erstaunlich gut klar. Dem Dirigenten gelang es, musikpädagogische Probenarbeit mit künstlerischem Anspruch in Einklang zu bringen.
Zu Beginn bevölkerte ein riesiges Mehrgenerationenorchester die Bühne und erfüllte die Gade-Ouvertüre mit frischem sinfonischem Glanz. Die HOV hatte das Jugendsinfonieorchester der hannoverschen Musikschule eingeladen. „Wir möchten die jungen Menschen erleben lassen, wie gut es ist, ein Leben lang mit anderen zusammen Musik zu machen“, sagte Helge Amtenbrink, der Vorsitzende der HOV.
Das Konzert für Violoncello und Orchester op. 85 von Elgar wurde dank des herausragenden Cellisten Leonid Gorokhov und der dynamisch differenzierten und rhythmisch präzisen Führung des Dirigenten zu einem außergewöhnlichen Ereignis. Der Solist erzählte mit seinem facettenreichen Spiel eine emotionale Geschichte von Abschied, Resignation und Trauer, aber auch von Hoffnung und Neubeginn. Das wirkte wie ein musikalischer Widerschein der bedrückenden Lebenslage des Komponisten zum Ende des Ersten Weltkriegs, als er dieses Konzert komponierte.
Von ganz anderem Geist ist die 2. Sinfonie von Ives durchweht. Mit einem wahren Crossover von europäischer Romantik und populären amerikanischen Klängen schuf Ives mit seiner Experimentierfreude eine neue amerikanische Musik. Es war beeindruckend, mit welcher Verve sich das Orchester durch dieses Werk spielte, einschließlich auffallend schöner Instrumentalsoli. Schade nur, dass Lille die vom Komponisten ironisch gemeinte üble Dissonanz des letzten Akkords nicht lang genug auskostete. Langer Beifallsjubel würdigte einen außergewöhnlichen Konzertabend.
Von Claus-Ulrich Heinke
Hannover, 4. November 2024
Diese Götterfunken zünden
Orchestervereinigung feiert 150 Jahre mit Beethovens Neunter

Seid umschlungen, eineinhalb Jahrhunderte Leidenschaft mit der Musik: Die Hannoversche Orchestervereinigung feierte im Großen Saal des NDR Konzerthauses ihr 150-jähriges Bestehen mit Beethovens Neunter. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt, einige Zuhörer stehen sogar in den Eingängen auf der Treppe. Am Schluss gibt es Riesenjubel, minutenlangen Beifall und Standing Ovations für eine angemessene Präsentation, die über weite Strecken vergessen ließ, dass man es hier mit einem Laienorchester zu tun hat.
Aber was für einem. Dirigent Martin Lill hat die Spielvereinigung in monatelanger Probenarbeit eingehend trainiert. Im ersten Satz lässt er sich viel Zeit, um die Klanglandschaft des Allegro zu erkunden. Und weil die Musiker hervorragend zusammen spielen können, kann man sich auch etwas trauen und im Scherzo das Tempo kräftig anziehen und volles Risiko gehen. Man fiebert richtig mit – und es gelingt.
Bei manchen Solopassagen, vor allem im wieder sehr ruhig genommenen Adagio, spürt man natürlich, was Beethovens Neunte für eine immense Herausforderung ist. Aber hier zählt das Gesamtergebnis. Das fasst der Schlusssatz wunderbar zusammen, schön, wie sonor die Kontrabässe das „Freude“-Thema vorstellen. Und wie Dirigent Martin Lill die „Tochter aus Elysium“ sprinten lässt, das hat schon Klasse.
Was auch für die Profi-Solisten (Julia Dennert, Paula Meisinger, Yohan Kim, Johannes Schwarz) gilt, die sich die Orchestervereinigung für Feier geleistet hat. In seinem Glückwunsch lobt Alt-Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg vor dem Konzert den „ganz besonderen Klangkörper“, der Menschen vereine, die Freude am instrumentalen Zusammenspiel haben.
Beethoven hat in diesem Zusammenhang Tradition: Vor hundert Jahren liebte man es üppiger, 1924, bei der 50-Jahr-Feier, gab es vor der Neunten gleich noch Beethovens 5. Klavierkonzert obendrauf. Beim Konzert im damaligen Volksheim sang unter anderem der Lehrergesangsverein, das waren noch Zeiten.
Diesmal ist es der Hannoversche Oratorienchor und das Junge Vokalensemble, die wie auch die Orchestervereinigung zur musikalischen DNA dieser Stadt gehören. Und auch die machen ihre Sache richtig gut. Homogen, einsatzsicher und vor allem stimmstark, sicher begleitet von der Orchestervereinigung. Da kommt die „Freude“ rüber.
Diese „Götterfunken“ zünden.
Henning Queren (HAZ)
Hannover | Dienstag, 17. April 2018
Spannung und Intensität
Orchestervereinigung spielt im Funkhaus

Große Oper hat die Hannoversche Orchestervereinigung jetzt auf die Bühne des Großen Sendesaals im Funkhaus gebracht. Mit der Ouvertüre und zwei Szenen aus Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ hat das Orchester Neuland betreten: Schließlich ist es nicht gerade üblich, dass sich ein Laienorchester, abgesehen von Ouvertüren und Vorspielen, mit Musik für die Opernbühne beschäftigt.
In der Ouvertüre benötigten die Musiker ein wenig Zeit, um sich aufeinander einzuspielen und im voll konzentrierten Konzertmodus anzukommen. Und manchmal konnte man auch wahrnehmen, wie technisch anspruchsvoll dieses Stück ist.
Aber das Orchester musizierte mit so viel Spannung, Intensität und Engagement, dass kleinere spieltechnische oder intonatorische Unebenheiten nicht ins Gewicht fielen. Man wurde wunderbar vorbereitet auf die Szenen von Max (1. Akt) und Agathe (2. Akt), die zu den Kernszenen der Oper gehören. Juliane Dennert verkörperte dabei eine frische, hell timbrierte Agathe, Uwe Gottswinter sang einen kraftvollen und sonoren Max.
In Beethovens Pastorale wählte Dirigent Martin Lill flüssige Tempi und überzeugte überhaupt mit einem stimmigen Gesamtkonzept: Dynamische Verläufe waren intelligent geplant und ausgeführt, Phrasen, Melodien und auch ganze Satzabschnitte wurden sehr genau artikuliert und dramaturgisch aufgebaut.
Dabei führt er das Orchester mit klaren Gesten, und die Musiker setzen seine Vorgaben großartig um. Tolle Bläsersoli taten ein Übriges für einen genussvollen und musikalisch erfüllenden Abend in einem gut besuchten Saal.
Michael Meyer-Frerichs (HAZ)
Hannover | Montag, 6. November 2017
Musikalische Hommage
Die Hannoversche Orchestervereinigung im NDR-Funkhaus

Von der dramatischen Klassik-Suite „Der Leopard“ bis zur Star-Trek-Hommage „Through the Years“ – die Hannoversche Orchestervereinigung bietet beim Konzert „Vom Wilden Westen bis zu den Sternen“ im NDR-Funkhaus viele Filmmusik-Klassiker.
Dirigent Martin Lill führt das Publikum auch als Moderator durch den Abend und schafft damit teils besondere Verbindungen zwischen Film und Musik: Wie der leichtgläubige Forrest aus „Forrest Gump“ habe auch Alan Anthony Silvestri im Titeltrack eine einfache Melodie geschaffen, die manchmal Schwierigkeiten habe, die Spur zu halten, sagt Lill. Tatsächlich glaubt man dem luftigen Arrangement von Calvin Custer den naiven Protagonisten anzuhören – ein Highlight dieses Abends.
Interpretiert werden die Musikstücke allesamt klassisch: Das Laienmusikensemble besteht hauptsächlich aus Streichern, die den Kompositionen durchweg energische Dramatik verleihen. Das kommt besonders bei Gustav Mahlers Arrangement „Adagietto“ aus der Sinfonie Nr. 5 zur Geltung – eben dieses Lied ist Teil der Novelle „Tod in Venedig“ von Thomas Mann, dessen Filmtiteltrack auch geboten wird.
Mit Applaus und Jubel revanchiert sich das Publikum beim Orchester. Als Lill für die Zugabe auf die Bühne geht, trägt er ein Cape und eine Darth-Vader-Maske. Was gespielt wird, ist klar: Das „ewige Meisterwerk“ von John Williams kündigt Lill an, „Star Wars“. Zum Dirigieren greift er dann aber doch nicht zum Laserschwert, sondern setzt auf den altbewährten Taktstock.
Kira von der Brelie (HAZ)
Hannover | Dienstag, 9. Mai 2017
Bis in die höchsten Höhen
Symphoniekonzert der Orchestervereinigung

Es war ein Vergnügen, der Hannoverschen Orchestervereinigung bei ihrem Symphoniekonzert im Funkhaus zuzuhören. Unter Leitung von Martin Lill präsentierten die Mitglieder dieses Laienorchesters ein niveauvolles Programm von hohem spieltechnischem Standard.
Erstaunlich fingerfertig spulte das Orchester am Anfang die Ouvertüre zu Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“ ab. Allerdings hätte man sich hier mehr Artikulationsschärfe und dynamische Farbigkeit gewünscht, das hätte dem satirischen und aufsässigen Geist der Oper besser entsprochen.
Sehr gelungen dagegen war Dvoraks Sinfonie Nr. 7 in d-Moll. Was das Orchester hier leistete, verdient großen Respekt. Wunderbare Soli der Holzbläser waren zu hören, leidenschaftlich gestalteter Streicherklang und strahlende Töne der Posaunen und Trompeten. Das alles wurde mit reiner Intonation und gemeinsamer Gestaltungskraft überzeugend gespielt.
Wunderbar leise
Für diese Ergebnis mag nicht nur die gute Leistung jedes einzelnen Orchestermitglieds verantwortlich sein, sondern sicher auch eine pädagogisch einfühlsame Probenarbeit im Vorfeld. Die zeigte sich beim Konzert auch in Martin Lill Dirigat: Er hat eine kluge Verbindung von individuell emotionalem Ausdruckswillen und kontrollierend pädagogischem Anleiten gefunden.
Mit diesen Qualitäten machte er das Orchester bei Beethovens Violinkonzert zu einem aufmerksam und differenziert agierenden Partner für die Geigerin Annedore Oberborbeck. Die in Hannover geborene deutsch-ungarische Künstlerin ordnete ihre geigerische Virtuosität ganz dem Geist dieses Kunstwerks unter. Sensibel kommunizierte sie mit dem wunderbar leise und kammermusikalisch agierenden Orchester.
Martin Lill folgte der Geigerin einfühlsam und ließ ihr Freiheit zur Gestaltung. Im langsamen Satz ließ die Geigerin ihr Instrument in weit gespannten Bögen bis in die höchsten Höhen mit warmen Klang schwingend singen.
Die atemlose Still im Publikum machte am Ende lang anhaltentem Beifall Platz. Und der galt nicht nur der Solistin, sondern auch dem beeindruckenden Orchester.
Claus-Ulrich Heinke (HAZ)
Hannover | Montag, 21. November 2016
Drang nach vorn
Die Orchestervereinigung spielt Haydn und Brahms

Da hatte sich die Hannoversche Orchestervereinigung unter Leitung von Martin Lill wirklich eine Menge vorgenommen. Auf dem Programm in der Markuskirche standen Werke von Joseph Haydn und Johannes Brahms – sowohl technisch als auch musikalisch keine Leichtgewichte der Orchesterliteratur. Eröffnet wurde das Konzert mit dem Trompetenkonzert von Joseph Haydn. Fabian Neuhaus, seit 2012 Solotrompeter der NDR Radiophilharmonie, widmete sich dem Werk mit jugendlichem Schwung und Drang nach vorn. Sein Ton ist weich und angenehm, dabei aber immer gut konturiert und rhythmisch präzise. An entsprechenden Stellen kann er allerdings auch eine signalartig schmetternde Klangfarbe annehmen. Technisch beherrscht der erst 26-jährige Musiker sein Instrument perfekt, egal ob große Intervallsprünge, virtuose Skalen oder leichtfüßige Verzierungen. Interpretatorisch allerdings schienen Solist und Dirigent nicht immer das gleiche Ziel zu verfolgen. Welch große Aufgaben ein Amateurorchester bei dieser Musik zu bewältigen hat, konnte man in Haydns Sinfonie mit dem Paukenschlag noch deutlicher hören. Haydns Kompositionen sind einerseits instrumentaltechnisch sehr anspruchsvoll, andererseits aber extrem transparent und besonders im orchestralen Zusammenspiel sehr diffizil. Das erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit. Dabei zogen sich die Amateurmusiker ausgesprochen positiv aus der Affäre: Kleinere Ungenauigkeiten und technische Fehler fielen kaum ins Gewicht, da der gesamten Interpretation ein klarer Gestaltungswille anzuhören war. Martin Lills Interpretation ist die Beschäftigung mit den Erkenntnissen der historisch informierten Aufführungspraxis deutlich anzuhören. Dadurch bleibt Haydns Musik immer klar strukturiert, Phrasen haben Richtung und Ziel, es ist eine durchdachte Tempoplanung über das Gesamtwerk zu erkennen. Lills Zeichengebung ist deutlich, aber nie aufdringlich oder übertrieben. Johannes Brahms‘ Haydn-Variationen sind eines jener eher seltenen romantischen Orchesterwerke, für die fast die gleichen Kriterien gelten wie für die Haydn-Sinfonie. Dieses Stück ist ähnlich durchsichtig strukturiert und rhythmisch kompliziert. Die Musiker der Hannoverschen Orchestervereinigung meisterten die Aufgabe beeindruckend. Die größte Baustelle war die dynamische Bandbreite, die leider nur einen Teil des Möglichen abdeckte. Einen großartigen „Rausschmeißer“ hatten die Musiker dann noch mit der Akademischen Festouvertüre von Brahms im Gepäck. Dieses launige Werk, das Brahms zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Breslau auf Grundlage damals bekannter Studentenlieder komponierte meisterte das Orchester mit viel Spielfreude. Sehr beeindruckend war der runde, nicht überzeichnete Klang der Blechbläser zum Ende des Konzerts.
Michael Meyer-Frerichs (HAZ)
Hannover | Montag, 18. April 2016
Märchenhafte Klänge
Die Orchestervereinigung im großen Sendesaal des NDR

Am Ende war ergriffenes Schweigen. Es dauerte lange, bis schließlich der Beifall begann, um sich dann zum Jubel zu steigern. Verklungen war die 6. Sinfonie von Peter Tschaikowsky, deren ungewöhnlicher letzter Satz „Adagio lamentoso“ nach langen Klageaufwallungen und Hoffnungsabstürzen wie der Herzschlag eines sterbenden Menschen im Nichts verklingt.
Mit dieser Sinfonie, der „Pathetique“, hatte sich die Hannoversche Orchestervereinigung bei ihrem Konzert im großen Sendesaal des NDR Großes vorgenommen. Denn dieses Werk fordert nicht nur ausgefeiltes spieltechnisches Können, sondern auch die Bereitschaft, die Tiefe dieser Musik aufzuspüren und Gestalt werden zu lassen. All dem zeigte sich das Orchester in bewundernswerter Weise gewachsen. Auch in schwierigen Passagen sauber intonierende Streicher, bemerkenswerte solistische Leistungen in den Holzbläsern, ein satt und rund klingender Blechbläsersatz und dynamisch geführte Pauken und Schlagzeuge vereinten sich zu einem bemerkenswert starken Orchesterklang. Vor Berufsorchestern braucht sich die Hannoversche Orchestervereinigung nicht zu verstecken.
Mit Martin Lill hat dieses älteste norddeutsche Amateurorchester auch einen Leiter zur Verfügung, der die pädagogische Arbeit glücklich mit seinem künstlerischen Anspruch zu verbinden weiß. So konnte er dann im Konzert mit souverän geführter klarer Schlagtechnik und inspirierender Ausdrucksstärke die Aufführung dieser letzten Sinfonie des russischen Meisters zu einem bewegenden Erlebnis werden lassen.
Vor der großen Sinfonie gab es die Begegnung mit dem Akkordeonisten Goran Stevanovic. Zusammen mit dem auch hier schon bestens disponierten Orchester spielte er die Suite „Märchen“ von Václav Trojan. Stevanovic zeigte dabei auf seinem Instrument erstaunlich unterschiedliche Tonfacetten, spannte Melodien mit langem Atem oder spielte sich keck und virtuos durch die teilweise lustigen Märchenszenen. Den langen Beifall belohnte er mit einer leisen und vollkommen nach innen gewendeten Improvisation, die mit atemloser Stille aufgenommen wurde.
Claus-Ulrich Heinke (HAZ)
Hannover | Montag, 16. November 2015
Von Rittern und Vögeln
Die Hannoversche Orchestervereinigung und der Cellist Arthur Hornig beweisen im Funkhaus ihre Klasse.

Die fünfjährige Zusammenarbeit der Hannoverschen Orchestervereinigung mit ihrem Dirigenten Martin Lill trägt Früchte, wie durch sorgfältige Balance aller Klanggruppen bewiesen wird. In dem nicht so gut wie sonst besuchten Konzert im Großen Sendesaal setzten bereits die allerersten Takte von Antonin Dvoráks Cellokonzert die Maßstäbe. Klarinette und Fagott stimmten die lyrische Melodie so innig an, dass sie als Leitmotiv für den ganzen Abend wirkte und auch Flöten, Oboen, Bratschen und Violoncelli inspirierte. Selbst Fortissimo-Passagen wurden nicht unkontrolliert drauflos gespielt, sondern sorgsam gestaltet.
Für einen jungen Solisten wie den 1987 geborenen Cellisten Arthur Hornig war es offenkundig ein Vergnügen, Dvoráks Sehnsuchtsklänge gemeinsam mit dem bestens vorbereiteten Laienorchester zu erkunden. Gleich, ob der Solist thematisch führte und sich dabei auf einem zarten Streicherteppich sicher fühlen konnte, oder ob er die aus dem Orchester tönende Melodik apart figurierte – diese Interpretation lebte von vertrauter Zwiesprache. Da war es schlüssig, dass Hornig auch eine poetische Zugabe auswählte. Der von Trillern und zarten Flageoletttönen umrahmte Gesang der Vögel von Pablo Casals mit einem beschwörend angestimmten katalanischen Volkslied verzauberte das Publikum.
Nach der Pause erinnerte das Orchester zweimal an die Tragödie des Liebespaares Romeo und Julia. Zunächst in Tschaikowskys Ouvertüre eher dunkel und elegisch. Das war bereits ein Vorgeschmack auf das Frühjahrskonzert der Orchestervereinigung: Dann steht Peter Tschaikowskys letzte Sinfonie, die „Pathétique“ auf dem Programm.
Plastische Bilder des Liebespaares und der umgebenden Gesellschaft entstanden in Prokofjews zweiter Suite aus der Ballettmusik zu „Romeo und Julia“. Die Violinen malten die junge Julia mit eleganten Tonleitern. Tuba und Kontrabässe entfalteten eine düsterere Atmosphäre, und im Schlussbild weckte ein konzentrierter Streichergesang das Mitgefühl. Als Zugabe bedankte sich das Orchester für den anhaltenden Applaus mit einer Wiederholung des „Marsches der Ritter“. Ohne die Blechbläsereinleitung mit den wohl durch die Anspannung etwas holprig geratenen Akkordballungen klang er hier kerniger.
Ludolf Baucke (HAZ)
Celle | Dienstag, 10. November 2015
Zwischen sehnsüchtigem Zauber und drängender Lust
„Ein Cello ist ein Stück Holz, das oben kreischt und unten brummt“, so lautet ein erstaunliches Zitat, das ausgerechnet Antonín Dvorák zugeschrieben wird. Erstaunlich deshalb, weil gerade Dvorák als Schöpfer eines der schönsten Cellokonzerte in die Annalen der Musikgeschichte eingegangen ist: Sein berühmtes h-Moll-Konzert op. 104 nämlich, das zwischen hoch gespannter Sehnsucht und Gefühlen des romantischen Verliebtseins bis hin zu zehrendem Abschiedsschmerz Grandezza und melodische Eingebung in unnachahmlicher Weise vereint. Am Sonntag kam es im Forum des Schulzentrums Burgstraße zur Aufführung, als Abschluss eines vorangegangenen Probenwochenendes der Hannoverschen Orchestervereinigung unter der Leitung von Martin Lill. Arthur Hornig, Solocellist des Orchesters der Deutschen Oper Berlin, bot im Zusammenwirken mit dem Orchester eine ungemein mitreißende Interpretation. Es war fantastisch, was er dabei an forscher, drängender Lust in den Solopart legte, ohne dem Werk seinen sehnsüchtigen Zauber zu nehmen: Mit beseeltem Blick, fern aller Eitelkeiten, ganz erfüllt von Musik und die meditativen Züge des Werkes betonend, gab er sich mit leidenschaftlicher Intensität der Komposition hin, ob im leidenschaftlichen Adagio oder seinem berückenden Solo im leise ausklingenden Schlusssatz, „diminuendo“, wie Dvorák in der Partitur vermerkte: „Wie ein Hauch.“ Und Lill ging mit seinem Orchester mit entsprechendem Ernst und Gewicht, aber auch mit wohldosiert angezogener Handbremse beim Melos auf Hornigs Intentionen ein, wobei er die Fülle und Faktur des Werks in eine gleichermaßen bewegliche und bewegende Balance zu bringen verstand. Mit großem melancholischen Charme entwickelten sich dabei immer wieder wunderschöne Dialoge zwischen dem Cello und einzelnen Orchesterinstrumenten, der Flöte etwa oder dem Horn und der Klarinette, die auf betörende Weise mit ihren warmen Registerfarben das dunkle Timbre des Cellos aufzunehmen wussten. Mit Peter Tschaikowskys melodienreicher, mal düster brodelnder, mal schwärmerisch sehnsuchtsvoller Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ wurde der Konzertabend beendet. Ergänzt durch Sergej Prokofjews Ballettsuite „Romeo und Julia“ op. 64 b kommt es am Samstag, 14. November, um 20 Uhr im Großen Sendesaal des NDR in Hannover erneut zur Aufführung.
Rolf-Dieter Diehl (Cellesche Zeitung)
Hannover | Montag, 23. März 2015
Frühlingszauber

Die Hannoversche Orchestervereinigung und der Geiger Roman Kim überzeugen im Großen NDR-Sendesaal. Gleich zweimal beschwor die Hannoversche Orchestervereinigung den Geist der großen italienischen Oper, als sie zu ihrem ersten diesjährigen Konzert wieder in den Großen NDR-Sendesaal einlud. Während in Rossinis Ouvertüre „Die Italienerin in Algier“ wunderschöner Oboengesang aufhorchen ließ, faszinierte unmittelbar darauf der 23-jährige Geiger Roman Kim in Paganinis erstem Violinkonzert mit ausdrucksvollen Kantilenen. Diese waren eingebettet in kniffligste Virtuosenpassagen. Doppelgriffe, rasende Tonleiterläufe, raffinierteste Doppelflageoletts und vieles andere mehr gehören anscheinend selbstverständlich zum Repertoire des jungen Geigers. Er schlingerte nicht bei den tollkühnsten Passagen, konnte sich ganz auf die von Martin Lill achtsam dirigierte orchestrale Begleitung verlassen und zauberte als viel beklatschte Zugabe noch einen weiteren Paganini-Bonbon aus den Fingern. Dessen Variationen über die britische Nationalhymne gipfelten in einer atemberaubenden Passage für die nur zupfende linke Griffhand. Glaubt man dem jungen Geiger, so hat seine ungewöhnliche Virtuosität nicht nur mit reiner Fingerfertigkeit zu tun. Extra für seine Konzerte entwickelte der 23-Jährige eine auffällige futuristisch anmutende Prismabrille, die er auch jetzt beim Konzert im NDR-Funkhaus trug. Wenn er durch sie hindurchblicke, scheine es ihm so, als würde alles in der Welt um ihn herum langsamer geschehen, hat er den Sinn der Brille einmal erläutert. Das gebe ihm das Gefühl, noch schneller spielen zu können. Warum auch immer, an diesem Abend funktionierten seine Finger jedenfalls tadellos. Der Schwenk nach der Pause konnte nicht größer sein. Auf den Pulten lag Robert Schumanns „Frühlingssinfonie“, die schon im Rhythmus der ersten Takte den Text „Im Tale blüht der Frühling auf“ aufnimmt. Wieder hatte Martin Lill seine musikbegeisterten Amateure präzise auf die nun wesentlich umfangreichere und anspruchsvollere Aufgabe vorbereitet. Die rund 70 Instrumentalisten musizierten differenziert und rhythmisch stabil. Im behutsam schwebenden Larghetto mitsamt den zum Schluss ganz leise blasenden drei Posaunen kosteten sie den Reiz einer fast unendlichen Melodie hörbar aus. Deren Anmut wurde in den schnellen Sätzen von vielen in allen Registern temperamentvoll gezeichneten Sechzehntelfiguren verziert. Zwischen eleganten Querflötensoli und behände gespielten Passagen der Bratschengruppe entfaltete sich an diesem Abend viel Frühlingszauber.
Ludolf Baucke (HAZ)
Hannover | Montag, 20. Oktober 2014
Sturm der Begeisterung

Der logistische Aufwand war immens: Auf Einladung der Hannoverschen Orchestervereinigung gastierten gleich vier Chöre gemeinsam mit den Instrumentalisten im ausverkauften großen NDR-Sendesaal (Anm.: 1200 Plätze) mit Carl Orffs „Carmina Burana“. Dabei waren die Strapazen der Vorbereitung rasch vergessen. Das Publikum geriet in den Bann der unablässig federnden Rhythmik und der stetig skandierten lateinischen und altdeutschen Texte. Martin Lill als Chef der Hannoverschen Orchestervereinigung dirigierte auswendig und inspirierte die hinter dem Orchester postierten 150 Stimmen fabelhaft sicher (+20 Kinderchor; Orchester: 90 Mann mit 2 Flügeln, 6 Schlagwerkern, 3fach Holz). Hannoverscher Oratorienchor, Kantorei St. Marien Wolfenbüttel, clazz–Junger Konzertchor Hannover und – im dritten Carmina-Teil – der Kinder- und Jugendchor der Musikhochschule ließen sich gern von Werk und Dirigent anstecken. Gemeinsam mit der Sopranistin Juliane Dennert, dem als klagender Schwan zu bizarren Fagottkapriolen falsettierenden Tenor Goetz Philipp Körner und dem theatralisch aufdrehenden Bariton Brain Davis wurde am Glücksrad gedreht und im Publikum ein Sturm der Begeisterung entfacht. Angesichts des finalen Glückstaumels darf die erste Programmhälfte nicht unterschlagen werden. Die von Martin Jordan dirigierten Laienchöre brillierten und formten die drei doppelchörigen Fest- und Gedenksprüche von Johannes Brahms ungeachtet ihre weiträumigen Aufstellung kammermusikalisch hell und lebendig. Der Clazz–Junger Konzertchor Hannover färbte zuvor Pfefferminzakkorde aus der Popmusik. Die Hannoversche Orchestervereinigung als einladendes Ensemble schließlich gestaltete Beethovens Coriolan-Ouvertüre eindringlich mit kraftvollen Akkordschlägen und wunderschönem Gesang der Violoncellogruppe.
Ludolf Baucke (HAZ)
Wolfenbüttel | Dienstag, 7. Oktober 2014
Dynamische Kontraste und Mut zum Pathos
St. Trinitatis platzt aus allen Nähten. Die Konzertveranstalter hatten mit der Orchestervereinigung und dem Oratorienchor Hannover, der Kantorei St. Marien Wolfenbüttel, dem Konzertchor Clazz und dem Kinderchor der Hochschule für Musik Hannover einen riesigen Apparat aufgeboten. Für den Publikumsmagneten „Carmina Burana“ von Carl Off der richtige Zuschnitt. >>mehr
Rainer Sliepen (Wolfenbütteler Zeitung)

Hannover | Montag, 19. Mai 2014
Spielfreude zum Jubiläum

Ein vorbildlich weicher Einsatz der Streicher eröffnete im großen Sendesaal des NDR das Festkonzert der Hannoverschen Orchestervereinigung zum 140. Jubiläum. Mit romantischen Sphären hat dieses couragierte Laienensemble jedenfalls keinerlei Probleme. Wenn dann in Otto Nicolais Potpourriouvertüre „Die lustigen Weiber von Windsor“ der genasführte Ritter Falstaff mit all seiner Plumpheit porträtiert wird, kommen die von Martin Lill professionell animierten Instrumentalisten ebenso auf ihre Kosten wie die rasch hingerissenen Zuhörer. Weil der Appetit auf lustvoll gebotene Musik groß ist, kommt die Uraufführung eines bei Kit Amstrong bestellten Tripelkonzertes zur rechten Zeit – nicht nur wegen der Verpflichtung der drei vorzüglichen Solisten Andrej Bielow (Violine), Adrian Brendel (Violoncello) und Kit Amstrong als pianistisch hochkarätigem Komponisten, sondern auch wegen der dem Werk eigenen Leichtgängigkeit. Mal wird eine fast an Gershwins „Summertime“ erinnernde Melodie angestimmt. Dann wartet die Violine mit einer sanften Kantilene auf und lockt wenig später eine Klarinette an. Garniert wird das alles mit allerlei Kapriolen im Staccato, auch mit einer winzigen Fuge plus anmutig gezupfter Gegenstimme. Am Ende des zwanzigminütigen Geburtstagsgeschenks erscheint eine Coda mit einer letzten Kadenz des Solistentrios. Einmal im Kontakt mit den drei Solisten bot es sich an, diese auch anderweitig im Programm zu engagieren. Obwohl das Orchester mit dem Brahmsschen Doppelkonzert an die Grenze des Machbaren geführt wurde, agierten zum einen die Solisten so souverän und so hilfreich, dass zusammen mit dem kundigen Dirigenten manche Turbulenz überwunden werden konnte. Da war Franz Liszts Fantasie über ungarische Volksmelodien leichter zu begleiten. Kit Amstrong lotete zusammen mit dem Orchester die Spanne zwischen majestätischem Trauermarsch und feurigem Csardas effektvoll aus. Er musizierte konzentriert und hatte anschließend noch Muße für ein wunderbar ausgesungenes Bach-Adagio. Die fast siebzig Instrumentalisten fühlten sich nach fast drei Stunden in Bizets erster Carmen-Suite hörbar wohl. Das Publikum genoss am Ende des spielfreudigen Jubiläums viel spanisches Kolorit.
Ludolf Baucke (HAZ)
Hannover | Montag, 4. November 2013
Quaa, quaa, moo, moo
Die Hannoversche Orchestervereinigung gibt sich im Großen Sendesaal amerikanisch

Die Hannoversche Orchestervereinigung (HOV) stellte im großen Sendesaal des NDR ein hauptsächlich amerikanisch inspiriertes Programm vor. Mit der „Candide“-Overtüre von Leonard Bernstein gab das seit fast 140 Jahren bestehende Amateurorchester einen fulminanten Auftakt. Dieses virtuose Stück sprüht nur so vor Witz und übersprudelndem Temperament, und Dirigent Martin Lill überträgt dessen ausgelassene Stimmung wunderbar auf seine Musiker. Als nächstes folgten die „Old American Songs“ von Aaron Copland. Die Melodien sind eher einfacher, dafür aber von umso einnehmenderer Natur und zeigen den typisch amerikanischen Kompositionsstil der fünfziger Jahre. Bei den sechs präsentierten, völlig unterschiedlichen Liedern bestach vor allem Mezzosopranistin Regina Pätzer durch darstellerische und gesangliche Agilität. Mit expressiver und warmer Stimme sorgte sie vor allem mit dem Nonsenslied „I Bought Me a Cat“ für Heiterkeit, denn hier werden Tiere lautmalerisch (Quaa, quaa, moo, moo) dargestellt. Zu höchster Konzentration wurden Publikum und Orchester bei Gerhard Bielefeldts „Tristan und Aida“ aufgefordert. Die 200. Jubiläen der Geburtstage Wagners und Verdis nahm Bielefeldt zum Anlass, Motive und Melodien ihrer bekanntesten Werke zu verknüpfen. Teile aus „Rigoletto“, „Nabucco“, „Aida“, dem „Ring“ und „Tristan“ werden hier dramatisch, aber auch humorvoll und vor allem überraschend zu etwas Neuem verbunden. Lill leitet das Orchester mit großer Intensität. Den Abschluss bildet Dvoráks Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“. Einigen kleinen Unsauberheiten zum Trotz machten sich besonders die Blechbläser mit gefühlvollem Spiel verdient. Im letzten Satz wurden die musikalischen Kräfte noch einmal gebündelt und zu großen, ausgedehnten Spannungsbögen gefügt. Das Publikum war begeistert und zeigte dieses mit lang anhaltendem Beifall. Ihr 140. Jubiläum feiert die HOV am 17. Mai 2014 im Großen Sendesaal.
Agnes Beckmann (HAZ)
Rinteln | Dienstag, 29. Oktober 2013
Leidenschaft und Vielfalt
Orchester aus Hannover bietet Opernpotpourri und böhmische Klänge aus der neuen Welt
Rinteln. Eine leicht verrückte musikalische Premiere erfreute am Sonntag die Zuhörer in der Nikolaikirche, als die Hannoversche Orchestervereinigung nicht nur Antonin Dvorák mitreißende Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ spielte, sondern zuvor auch das humorvolle Werk „Tristan und Aida“ des Musiklehrers Gerhard Bielefeldt aus Hannover. Letzterer hatte unzählige weltberühmte Themen großer Komponisten zu einem Potpourri verwoben, ganz so, als hätten sich Wagner, Verdi und Kollegen einen Musikspaß erlaubt, bei dem es gilt, Melodien zu erkennen und zuzuordnen. Beide Stücke stellten eine Herausforderung für die Hannoversche Orchestervereinigung dar. „Tristan und Aida“, weil das Orchester ebenso wie das Publikum von einer Stimmungswoge in die nächste gestoßen wurden, „Aus der Neuen Welt“, da dieses den meisten Hörern bekannte Werk sich zwangsläufig an vorherigen Hörerlebnissen messen lassen musste. Das Konzert in Rinteln war eine Art Generalprobe für die NDR-Aufnahme, die am 2. November im Großen Sendesaal Hannover eingespielt wird. Aus dem begeisterten Applaus des Rintelner Publikums lässt sich schließen, dass Dirigent Martin Lill die Generalprobe wohl als sehr gelungen betrachten dürfte. Tatsächlich überzeugten die Hannoveraner Amateur-Musiker insgesamt mit ihrer souveränen Spielfreude, die sie als Team zusammenschweißte, gleichwohl einzelnen Instrumentengruppen erlaubte, individuell hervorzutreten. Das kam verstärkt bei Dvorák Sinfonie zur Geltung, die er im Jahr 1893 in Amerika komponierte, wo sie mit ihrer leidenschaftlichen Themenvielfalt und den Melodien, die fast sofort im Gedächtnis bleiben, zum rauschenden Erfolg wurde. Böhmische Blasmusik-Elemente verweben sich darin mit amerikanischen Volksliedern, indianischen Rhythmen und Spirituals auf so eingängige Weise, dass Dvorák Musik Motive für unzählige Spielfilme lieferte. Kein Wunder, dass viele Besucher mit einer Melodie auf den Lippen die Kirche verließen. Auch Gerhard Bielefeldts fast trunken wirkende „Tristan und Aida“-Komposition versetzte die Zuhörer in gute Laune. Das schmachtende Tristan-Motiv unvermittelt mit fröhlichem Aida-Tanz zu verbinden, auch Tschaikowsky, Puccini und immer wieder Wagner geradezu respektlos ineinander übergehen, ja miteinander verschmelzen zu lassen, bis zu Punkt, wo etwa die Bläser den Streichern zu streiten scheinen, es wird wohl den Hörern des NDR Freude machen. Am 2. November 20 Uhr spielt die Hannoversche Orchestervereinigung im Großen Sendesaal des Landesfunkhauses auf und ergänzt das Rintelner Programm unter anderem um die Candide-Ouvertüre von Leonard Bernstein. Kurz und intensiv: Die Orchestervereinigung Hannover spielt in St. Nikolai Teile ihres neuen Programms.
Cornelia Kurth (Schaumburger Zeitung)
Hannover | Montag, 27. Mai 2013
Schwungvoll und tänzerisch
Sinfoniekonzert mit Solisten in der Michaeliskirche
HILDESHEIM. Sie ist gereinigt, nachintoniert und erweitert, die Woehl-Orgel der Michaeliskirche. Nach einigen Monaten des Schweigens meldete sie sich nun im Sinfoniekonzert klangprächtig zurück. Helmut Langenbruch, seit 1987 Kirchenmusikdirektor an St. Michaelis, mischte eingangs in Léon Boëllmanns viersätziger „Suite gothique“ (op. 25) die aufgefrischten Farben der Orgel glanzvoll an. Das „Prière à Notre-Dame“ gestaltete Langenbruch als inniges Gebet der maßvollen Stille. Dieses „Gebet“ wirkte nach den Echowirkungen der vorangegangenen Sätze als andächtiger, meditativer Ruhepol. Die abschließende Toccata zog schwungvoll und zugleich tänzerisch leicht durch die Kirche. Viel Beifall für dieses fantasievolle Spiel. Mit der 16-jährigen Louise Wehr trat eine junge Geigerin in der gut besuchten Kirche auf, die das Publikum vom ersten Ton an mit Max Bruchs populärem Violinkonzert Nr. 1 g-Moll (op. 26) verzauberte. Wehr spielt seit ihrem dritten Lebensjahr Violine und ist unter anderem mehrfache Preisträgerin des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“. Seit 2010 wird sie am Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ausgebildet. Im Konzert beeindruckte die Künstlerin vor allem aufgrund ihres großen, abwechslungsreichen und immer auch strahlend schönen Tons. Insbesondere das Adagio präsentierte Wehr mit einer erstaunlich musikalischen Reife. Alle Besinnlichkeiten, die in den quasi unendlichen Melodien und in den Nebengedanken dieses Satzes liegen, verzahnten sich bei dieser Künstlerin und berührten. Dass schließlich nach dem fulminanten Schlusssatz Bravo-Rufe durch die Kirche hallten, überraschte nicht. Ebenfalls die bestens aufeinander eingestimmte Hannoversche Orchestervereinigung (HOV) unter der genauen und Musik formenden Leitung des Dirigenten Martin Lill trug gewaltig zum guten Gelingen des Konzerts bei. Lill ist in Hildesheim auch durch seine Musikschularbeit bekannt. In der abschließenden Sinfonie Nr. 3 c-Moll (op.78) von Camille Saint-Saëns, die hierzulande als „Orgelsinfonie“ bekannt ist, obwohl die Orgel eine geringe Rolle spielt, präsentierte nochmals das homogene Orchester all seine Stärken. Die Musiker fassten die monumentale, unkonventionelle Komposition als breit gefächerten Klangkosmos auf. Das Orchester, das überwiegend aus Laienmusikern besteht, spielte auf höchstem Niveau und mit einer immens musikalischen Intensität. In jeder Hinsicht versiert sprach dieser Klangkörper unter Lills professioneller Leitung eine stets verständliche und zugleich fantastische Musiksprache. Und der Organist Langenbruch konnte in diesen Grundtenor besonders im Schlusssatz mit der Woehl-Orgel prächtig einfallen. Mächtiger Applaus für ein Konzert, das dem begeisterten Publikum Musik in allen Formen, Farben, Fassungen und Facettenbot.
Birgit Jürgens (Hildesheimer Allgemeine Zeitung)
Hannover | Montag, 29. April 2013
Kathedrale des Klangs
Die Orchestervereinigung in der Markuskirche

Die Verpflichtung von talentierten Nachwuchssolisten und die programmatische Balance zwischen Publikumsrennern und Raritäten prägen die Arbeit der Hannoverschen Orchestervereinigung bereits. Das war auch im jüngsten Konzert nicht anders, nur dass jetzt mit der Markuskirche zusätzlich ein von üblichen Sälen abweichender Ort gewählt wurde. Die Raumwahl bestätigte das einfallsreiche Profil der engagierten Laien und hatte gute Gründe. Mit der als Orgelsinfonie bekannt gewordenen dritten Sinfonie von Camille Saint-Saëns wurde abseits des Geläufigen ein Werk präsentiert, das auf den Zusammenklang von reich besetztem Orchester und französischer Kathedralorgel baut. Dem Publikum in der voll besetzten Markuskirche präsentierte sich die Saint-Saëns-Sinfonie als imponierendes Klanggemälde. Die Abstimmung zwischen Martin Dietterle auf der Orgelempore und dem gegenüber im Altarraum musizierenden Orchester geriet bestens und mündete in eine von Martin Lill sorgsam koordinierte Symbiose aller instrumentalen Farben. Gleich ob das Flirren der hohen Streicher, die Pizzikati der Violoncelli und Kontrabässe, die aparte Färbung der Holzbläser oder die sonore Geschlossenheit der mit Posaunen und Tuba angereicherten Blechbläser gefordert wurden – dem Orchester war die schlüssige Nuancierung oberstes Gebot. Der Lohn für die sorgsame Gestaltung ließ nicht auf sich warten. Das Publikum applaudierte anhaltend und begeistert. Vor der raumfüllenden Orgelsinfonie zückte die Hannoversche Orchestervereinigung eine Trumpfkarte. Max Bruchs erstes Violinkonzert wurde in seinem Orchesterpart behutsam und als ideales Fundament für die Solovioline geformt. Und der junge Tobias Feldmann – in Hannover bestens bekannt als mehrfacher Preisträger des jüngsten Joseph-Joachim-Wettbewerb – ließ sich nicht lange bitten. Er intonierte die anfänglichen Solotakte nachdenklich, formte zusammen mit dem Orchester das Kantilenenthema des langsamen Satzes eindringlich und hatte genügend Spielreserven für die temperamentvolle Doppelgriffigkeit des tänzerischen Finales. Noch in der zugegebenen Sarabande aus Bachs h-Moll-Partita faszinierte Tobias Feldmanns wunderbar tragender Violinton.
Ludolf Baucke (HAZ)
Rhythmische Sinfoniker
Ein unbekanntes Werk und ein ungewöhnliches Instrument – diese gewagte Verbindung war der Höhepunkt des Konzertes der Hannoverschen Orchestervereinigung im Großen NDR-Sendesaal. Unter der Leitung von Dirigent Martin Lill brillierte der junge Solist Simon Etzold am Marimbafon. Das „Konzert für Marimbafon und Streicher“ von Ney Rosauro ist ein höchst originelles Stück, in dem der Komponist Rhythmen aus seinem Heimatland Brasilien mit traditionellen Streicherklängen kombiniert. Heraus kommt ein Spiel mit rhythmischen Verschiebungen, Triolen und ungewöhnlichen Klangfarben. Etzold konnte dabei alle Facetten seines Instruments vorstellen. Melodische Linien, die sich über unkonventionelle Harmonien legen, dominierten den zweiten Satz. Aber auch schnelle Repetitionen, harte Doppelschläge und genaue dynamische Nuancen beherrschte der 24-jährige Solist, der an der Hochschule in Hannover Schlagzeug studiert. Überhaupt ist es alleine schon ein optisches Vergnügen, Marimafonspielern zuzusehen, wie sie mit den Schlägeln über die Holzklangstäbe jagen. Mehr davon! Das dachte sich wohl auch das begeisterte Publikum. Etzold ließ sich trotzdem nicht zu einer Zugabe bewegen. Die Hannoversche Orchestervereinigung gibt es seit bald 140 Jahren. Das Amateurorchester tritt regelmäßig mit bekannten Solisten, aber auch mit jungen Nachwuchskünstlern auf. Den Konzertabend im NDR-Saal eröffnete die Orchestervereinigung mit der Sinfonischen Dichtung „Danse macabre“ von Camille Saint-Saëns. Martin Lill lenkte die Musiker mit klarem Dirigat. Das führte zu einer guten Klangbalance an den Tutti-Stellen. Ein schön bauchiger, satter Ton an den Streicherstellen kontrastierte passend mit der solistischen Violine. Die Intonation war allerdings zuweilen wackelig und das Tempo etwas träge. Letzteres war auch bei den Anfangssätzen der Sinfonie Nr. 1 c-Moll von Johannes Brahms problematisch. Die eigentlich kritischen Punkte in diesem Werk sind für Amateurorchester jedoch oft die melodiösen Einsätze der Solobläser. Dabei allerdings konnte die Orchestervereinigung überzeugen. Vor allem sind hier die Holzbläser und Hörner lobend zu erwähnen. Mit klaren, kraftvollen Linien und selbstbewussten Einsätzen formten sie das Stück maßgeblich. Im vierten Satz konnten die Streichinstrumente dann vom präzisen Pizzicato zu Beginn bis zur lyrischen Melodiemalerei ihr Klangrepertoire ausleben. Am Ende dann ein gelungenes Finale mit guten dynamischen Abstufungen und viel Schwung. Das Publikum wollte weder das hannoversche Traditionsorchester noch den Dirigenten gehen lassen und bedankte sich mit viel Applaus.
Ressort: KULT (HAZ)
Hannover | Sonntag, 25. November 2012
Brahms, Saint-Saëns und eine Überraschung
Hannoversche Orchestervereinigung konzertiert im NDR

Wer angesichts des angekündigten Programms einen schwergewichtigen und ernsten Konzertabend erwartet hatte, wurde gewiss nicht enttäuscht, konnte aber auch überraschend Erfreuliches erleben. Die Hannoversche Orchestervereinigung gestaltete am 24. November im Großen Sendesaal des NDR die sinfonische Dichtung „Danse macabre“ („Totentanz“) von Saint-Saëns und Brahms‘ erste Sinfonie; dazwischen erklang das Konzert für Marimbaphon und Streicher des zeitgenössischen Komponisten Ney Rosauro brasilianischer Herkunft.
Das Marimbaphon-Konzert mit dem jungen Perkussionisten Simon Etzold war die Überraschung des Abends und erreichte das zahlreich anwesende Publikum derart direkt, dass sich begeisterter Beifall auch zwischen den Sätzen nicht vermeiden ließ. Der Solist am Marimbaphon und Dirigent Lill nahmen das locker. Simon Etzold gestaltete nicht nur virtuos, sondern auch mit Umsicht. Er verstand es, sämtliche rhythmischen, melodischen und harmonischen Finessen des Werkes plastisch und gefühlvoll darzustellen. Das kam gut an bei den etwa 900 Zuhörern, die offensichtlich endlich mal ignorierten, was die Welt über das norddeutsche Temperament zu wissen meint. Einige Konzertbesucher forderten gar eine Zugabe – vor der Pause.
Eröffnet hatte die HOV den Abend mit Saint-Saëns‘ Opus 40. Das war zur Freude des Publikums keine bitterernste Angelegenheit. Unter Martin Lill am Pult wurde die sinfonische Dichtung zu einer eleganten französischen Erzählung, spannend, voller Geheimnisse und Anspielungen, doch letztendlich tänzerisch, leicht und stellenweise gar ironisch. Ein jugendlicher Zuhörer im Saal fand das Werk „witzig“. Da ist was dran.
In der zweiten Halbzeit steuerte Dirigent Lill Brahms‘ erste Sinfonie in eine ebenfalls zeitgemäße Richtung: Sie erklang ohne falsches Pathos, mit feinen Spannungsbögen, entschlackt, jugendlich. Der erste Satz hat seine Tücken; die HOV meisterte sie heldenhaft. Die beiden Mittelsätze verzückten die Zuhörer und regten zum Träumen an. Der Finalsatz war glasklar gestaltet, auch dank der homogen klingenden und synchron agierenden Bläser, die Lill wieder einmal bestens im Griff hatte.
Langanhaltender und herzlicher Beifall für ein großes Laienorchester unserer Landeshauptstadt und Region. Ein Orchester mit bedeutsamer Vergangenheit und ohrenscheinlicht mit Zukunft. Im April 2013 gestaltet die HOV Saint-Saëns‘ dritte Sinfonie c-Moll. Wir sind gespannt!
Martin Helge Lüssenhop (Richard Wagner-Verband Hannover e.V. )
Hannover | Montag, 14. Mai 2012
Melodische Delikatesse
Die Orchestervereinigung im Großen NDR-Sendesaal

Ein Programm aus Kompositionen, die dem Geist der romantischen Bewegung des 19. Jahrhunderts entstammen, hat die Hannoversche Orchestervereinigung in ihrem aktuellen Konzert präsentiert. Zum Auftakt steuerte Dirigent Martin Lill mit kräftigen Akzenten, aber auch mit beseelter Sentimentalität durch die Ouvertüre zu Verdis Nabucco.
Johanna Marie Hennig spielte Chopins Klavierkonzert Nr. 1 in e-Moll mit leichtem, klarem Anschlag. Das wirkte an der einen oder anderen Stelle fast etwas zu zurückhaltend, wobei ihr Martin Lill und das Orchester mit weichen, leicht abgedunkelten Farben stets aufmerksame und sensible Begleiter waren; andererseits geriet Hennig mit dieser Interpretation niemals in Gefahr, zu viel zu machen, zu pathetisch zu werden. Und das bekam dem Konzert sehr gut. Die Pianistin verstand es, die melodische Delikatesse des ersten Satzes auszuloten, ohne dabei in romantisches Pathos zu entgleiten. Mit ebensolchem Gespür brachte sie die zarten Linien des zweiten Satzes zum Klingen. Federnd und tänzerisch, ohne äußerliche Virtuosität, zeigte sie schließlich im dritten Satz ihre ganze technische Souveränität. Für diese überzeugende Interpretation wurde sie mit großem Beifall und Bravorufen bedacht. Nach der Pause stand zuerst Franz Liszts Symphonische Dichtung .Les Préludes. auf dem Programm. Lill hat sein Orchester für diese groß dimensionierte Komposition aus dem Kreis der stark emotional aufgeladenen Orchesterwerke Liszts zu einem homogenen, transparenten Klangkörper zusammengefügt. Schließlich gab es Vorspiel und Liebestod aus Tristan und Isolde.
Mit fein abgestufter Dynamik und gut aufeinander eingestimmten Instrumentengruppen gelang das Vorspiel, aus einem homogenen Klangfluss der Liebestod. Etwas mehr Leidenschaft wäre da zwar denkbar gewesen, das tat jedoch der insgesamt sehr geschlossenen Leistung keinen Abbruch.
Ein solches Niveau ist nicht selbstverständlich für ein Orchester, das fast ausschließlich aus Laien besteht. Das Publikum im gut besuchten, nicht ganz ausverkauften Großen NDRSendesaal bedankte sich mit sehr herzlichem Beifall.
Christian Schütte (HAV)
Hannover | Montag, 11. Oktober 2011
Silbriger Ton
Pianist Hinrich Alpers brilliert in Hannover

Dem aus Hannover stammenden Pianisten Hinrich Alpers eilt der Ruf voraus, einer der bemerkenswertesten Künstler seiner Generation zu sein. Belegt wird dieser Eindruck unter anderem dadurch, dass der 1981 geborene Musiker 2009 den internationalenTelekomBeethovenWettbewerb Bonn gewonnen hat.
Dass er sich vor bereits wesentlich bekannteren Pianisten wie Martin Helmchen oder Pierre-Laurent Aimard nicht zu verstecken braucht, zeigte er jetzt bei einem eindrucksvollen Auftritt im Großen Sendesaal des NDR. Beim alljährlichen Konzert der Hannoverschen Orchestervereinigung im Landesfunkhaus beeindruckte er mit Dvoráks Klavierkonzert in g-Moll. Schon im ersten Satz überraschte Alpers mit Passagen von fast impressionistischer Schönheit, so klar, so farbenreich, so voller Nuancen gestaltete er Dvoráks romantisch-schwelgerische Musik. Mit zartem, silbrigem Ton spielte er das Thema des 2. Satzes, mit brillantem Furor raste er durch das Finale. Es spricht ebenso für die Qualität des Solisten wie der von Martin Lill geführten Orchestervereinigung, dass beide in diesem Werk, in dem Solopart und Orchester stärker als sonst ineinander verwoben sind, so gut harmonierten.
Schon zu Beginn des Konzerts hatte die Orchestervereinigung, ein Laienorchester auf hohem Spielniveau, mit ihrem vollen, gut austarierten Orchesterklang bei einem Walzer aus Aram Chatschaturjans Maskerade-Suite überrascht.
Im klassischen Musikbetrieb gehört es sich nicht, zwischen einzelnen Sätzen zu klatschen. Als das mehrmals der Fall war, war der Unmut darüber spürbar. Man kann den Zwischenapplaus jedoch als Kompliment dafür sehen, wie dieses Konzert bei vielen Zuhörern ankam.
Jutta Rinas (HAZ)
Hannover | Montag, 29. November 2010
Rosen zum Abschied
Die Hannoversche Orchestervereinigung ehrt ihren langjährigen Dirigenten Heinz Bethmann
Stilistische Vielfalt im weiten Feld von klassischer und nichtklassischer Musik, dazu die Förderung des künstlerischen Nachwuchses zählen zu den Gütesiegeln der Hannoverschen Orchestervereinigung. Beide Eigenheiten prägten auch das Abschiedskonzert des seit vierzig Jahren amtierenden Dirigenten Heinz Bethmann, der nun seinem Nachfolger Martin Lill ein auf rund 80 Aktive angewachsenes Ensemble mit einem beachtlichen Potenzial übergibt. Im sehr gut besuchten großen NDR-Sendesaal herrschte drei Stunden lang ausnahmslos gute Laune. Nicht wehmütige Abschiedsstimmung, sondern Gratulation von allen Seiten prägte das Geschehen. Zu den Gratulanten gehörte zuallererst das zwischen Fledermaus-Ouvertüre von Johann Strauß und Finlandia von Jean Sibelius spielfreudig agierende, bei einer Melodienfolge aus „Jesus Christ Superstar“ oder einem filmischen Panorama aus „Fluch der Karibik“ satt aufspielende Orchester. Jedes Orchestermitglied dankte zum Abschied mit einer Rose, worauf Heinz Bethmann flugs den Dirigentenstab gegen eine Rose eintauschte.
Gratuliert wurde Heinz Bethmann aber auch von Solisten, Gästen und von der Moderatorin Viola Gebhardt. Dabei erinnerte der Violoncellist Gottfried Roßner mit einem Dvorak-Rondo an Bethmanns Debüt am 10. Mai 1970, das mit zwei slawischen Tänzen begann. Perfektes Solospiel auf zwei Ebenen servierten die Geigerin Agata Szymczewska und die Klarinettistin Katharina Arend. Erstere füllte Beethovens F-Dur Romanze mit untadeligem Ausdruck, und die Klarinettistin färbte Artie Shaws Konzert mit fetziger Swinglaune. Die Hannoversche Orchestervereinigung begleitete konzentriert und hatte genügend Reserven, vor der breitwandigen Finlandia-Dichtung auch die Musical-Sängerin Bianca El-Mabrouk zu unterstützen.
Dirigent und Orchester durften sich entspannt zurücklehnen, als die Hannover Harmonists sowohl mit einer Rossini-Ouvertüre als auch mit ausgewählten Beatles-Songs Kostproben kultivierten A-cappella-Gesangs servierten. Im berühmten „Yesterday“ wurden die Stimmen von den Instrumenten vortrefflich untermalt. Viel Jubel und Ovationen im Stehen.
Ludolf Baucke (HAZ)
Hannover | Montag, 12. April 2010
Nachwuch für Bayreuth
Der Richard-Wagner-Verband Hannover feiert seinen 100. Geburtstag – mit einem Festkonzert und ganz viel Wagner
Wagner und die Frauen, davon konnten nicht nur Richard Wagners Ehefrauen Minna und Cosima ein Lied singen. Frauen erhoben ihre Stimme auch, um das Werk des Bayreuther Meisters zu verbreiten. 1909 gründete die bis dahin unauffällige Lehrerin Anna Held in Leipzig den „Richard Wagner Verband Deutscher Frauen“. Ein Jahr später, am 22. Februar 1910, scharte Olga Tramm, die Gattin des Stadtdirektors Heinrich Tramm, 40 Damen der Gesellschaft um sich und gründete den Ortsverband Hannover. Da passt es, dass am Sonnabend der 100. Geburtstag des Richard-Wagner-Verbands Hannover von 11.30 Uhr an mit einem Festakt im Neuen Rathaus, Trammplatz 1, gefeiert wird. Das Festkonzert um 19.30 Uhr (unter anderem mit der Hannoverschen Orchestervereinigung) erklingt allerdings im Großen Sendesaal des NDR.
Hannover, Wagner und die Frauen, das gehörte lange Jahre zusammen. Die Reichsvorsitzenden kamen durchwegs aus Hannover. Und selbst als der Verein 1949 auf seiner ersten Bundestagung in Hannover (wo sonst) auf die Geschlechterbeschränkung verzichtete, war der Richard-Wagner-Verband von führenden Frauen bestimmt: Mercedes Bahlsen, Ilse Michaelis oder Eva Märtson prägten den Ortsverband und den Gesamtverein. Eva Märtson ist mittlerweile Präsidentin des Internationalen Richard-Wagner-Verbands. In Hannover ist derzeit ein Mann an der Spitze: Gunnar Lundin, der seine knapp 250 Verbandsmitglieder vor Ort als „Musikliebhaber“ beschreibt, die jedoch keine Puristen seien. Mit den Bayreuther Festspielen hat der Verband formal nichts zu tun. Wenn man von der selbst gestellten Aufgabe absieht, jedes Jahr Stipendiaten ans Werk Richard Wagners heranzuführen. In Bayreuth natürlich. Schließlich sind die Ziele des Verbandes, „das Verständnis für das Werk Richard Wagners zu wecken und zu vertiefen“, die von Richard Wagner selbst angeregte Stipendienstiftung zu unterstützen und „den künstlerischen Nachwuchs zu fördern“. Entsprechend stolz ist man, wenn einstige Stipendiaten wie etwa der Dirigent Cornelius Meister Karriere machen (nicht nur, aber auch mit Wagners Werk).
Wer in Bayreuth mitsprechen will, der muss sich schon in der Gesellschaft der Freunde Bayreuths engagieren, die Mitgliedschaft im Richard-Wagner-Verband bringt, so Gunnar Lundin, nicht einmal Vorteile beim Kartenbezug. Aber mitreden kann und will man, wenn es um Werk und Werkdeutung geht. Kammersängerin Marie-Louise Gilles etwa, die für die künstlerische Gestaltung der Verbandsarbeit zuständig ist, schätzt „Regie-, aber nicht Regisseurtheater“. Immerhin war die einstige Professorin an der hannoverschen Musikhochschule nicht nur als Opernsängerin, sondern auch als Opernregisseurin erfolgreich. Am Sonnabend wird sie durch das Festkonzert führen. Das beginnt mit dem „Einzug der Gäste“ (aus Wagners „Tannhäuser“). Aber auch Wagners „Huldigungsmarsch“ an Ludwig II. darf nicht fehlen. Auch dabei ging es letztlich ums Geld, das Richard Wagner brauchte.
Rainer Wagner (HAZ)
Der Wagner Verband Hannover feiert 100-jähriges Bestehen
Ganz in diesem Sinne steht auch das opulente Festkonzert, das der Verband am Abend zusammen mit der Hannoverschen Orchestervereinigung im Großen Sendesaal des NDR ausrichtet. Die Musikliebhaber und das Liebhaberorchester stellen dabei ein Programm auf die Bühne, das bewusst auf Ohrwürmer setzt. Hierzu legen sich auch der Hannoversche Oratorienchor und der Extrachor der Staatsoper gewaltig ins Zeug und absolvieren ein machtvolles „Wacht auf“ aus den „Meistersingern“ und ein frisches „Steuermann, lass die Wacht“ samt Fußstampfchoreografie.
Das 85-köpfige Orchester wirft sich unter Heinz Bethmanns zupackender Leitung mit grollender Leidenschaft in Siegfrieds Trauermarsch und macht kleinere Ausrutscher mit disziplinierter Klangkultur und höchstem Engagement vergessen. Bariton Albrecht Pohl stimmt dann ein betörendes „Lied an den Abendstern“ an, und Sopranistin Betsy Hörne träumt „Einsam in trüben Tagen“ aus dem „Lohengrin“. Die Kalifornierin ist bester Beweis für die Wirksamkeit der Förderungsidee, war sie doch selbst Stipendiatin der Richard-Wagner-Stipendienstiftung. Im Festkonzert jedenfalls rührt und beeindruckt sie mit traumverlorener Stimmschönheit und glasklarer Ausdruckskraft.
Andre Mumot (NP)
Hannover | Montag, 26. Oktober 2009
Böhmische Wallung
NDR: Die Hannoversche Orchestervereinigung feiert
Es geht ein Raunen durch das Publikum, als die ersten Töne der Zugabe erklingen. Beethovens „Für Elise“ beschert natürlich sofort den Wiedererkennungseffekt – und doch wieder nicht. Diese kleine Fingerübung, diese unendlich oft gehörte Klischeemelodie, wird unter den zögerlichen Fingern von Igor Levit zur geheimnisvollen, fragenden, melancholischen Schönheitserkundung, die einen verdienten Beifallssturm auslöst.
Der 22-jährige Pianist, der mit Größen wie Lisa Batiashvili und Mischa Maisky Kammermusik macht, der mit dem Israel Philharmonie Orchestra und der NDR Radiophilharmonie Hannover auftritt, ist der Stargast an diesem Abend. Zusammen mit der Hannoverschen Orchestervereinigung spielt er Beethovens fünftes Klavierkonzert. 2002 hatte er, damals noch am Anfang seiner Karriere, schon einmal mit diesem Klangkörper konzertiert. Auch damals mit Beethoven – dem ersten Konzert für Klavier. Diesmal, beim machtvollen Fünften, zeigt der Virtuose, was in ihm steckt. Temperamentvoll entfaltet er Sturm und Triumph und formt mit unwiderstehlicher Sanftheit die leisen Gedanken des Werkes zu echten Sehnsuchtsinseln.
Aber es ist für alle Beteiligten ein besonderer Abend im Großen Sendesaal des NDR, denn die Hannoversche Orchestervereinigung besteht, als ambitioniertes Laienorchester auf hohem Spielniveau, nun seit 135 Jahren. Das Jubiläum nutzen die 80 Musiker für ein klassisch aufgebautes Programm. Neben Beethovens üppigem Konzert entfaltet Mendelssohns „Meeresstille und glückliche Fahrt“ schimmernde Klangfarben und sorgt für einen stimmungsvollen Einstieg.
Zur vollen Entfaltung kommt das Orchester bei Antonin Dvoraks Achter Symphonie. Ein ideal gewähltes Stück, denn hier kann sich die ganze Leidenschaft der Musiker in ausgreifenden Melodien und mitreißenden Rhythmen ausleben. Kleine Pannen stören dabei nicht im Geringsten.
Dirigent Heinz Bethmann, der seit 39 Jahren die Konzerte der Orchestervereinigung leitet, sorgt für Übersicht, für Feuer und interpretatorische Akzente, sodass ein nahezu ausverkaufter Sendesaal in erhebliche böhmische Wallungen gerät. Langer Applaus.
André Mumot (HAZ)
Romantische Wärme im Sendesaal
HANNOVER. Hätten Sie gewusst, was eine Ophiklaide ist? Nur für zwei Jahrzehnte wurde das tief tönende Blechblasintrument im 19. Jahrhundert im Orchester eingesetzt, dann wich es der Tuba. Zu erfahren war dies beim Konzert der Hannoverschen Orchestervereinigung im Großen Sendesaal des NDR.
Auf dem Programm standen romantische Klassiker: Mendelssohns Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“, Dvoraks achte Sinfonie und Beethovens fünftes Klavierkonzert. Die Mitglieder der Orchestervereinigung musizierten auf hohem Niveau. Vor allem die Bläser stachen mit guter Intonation ins Ohr, die Streicher meisterten auch die technisch oft sehr anspruchsvollen Passagen überzeugend. Ein runder und warmer Gesamtklang schmeichelte dem Ohr. Deutliche Gegensätze vermeidend, leitete Heinz Bethmann die Aufführung.
Highlight war Pianist Igor Levit. Technisch brillant, mit wunderbarer Anschlagskultur zelebrierte er Beethovens Es-Dur-Konzert. Als Zugabe beglückte er das Publikum mit einer fein ziselierten Interpretation von Beethovens. „Für Elise“ – doch kein Stück nur für den Klavierunterricht.
mmf (NP)
Hannover | Montag, 23. März 2009
Funkelndes Duett
Die Hannoversche Orchestervereinigung im KWRG
Für versteckte Sinfonik ist die seit 1970 von Heinz Bethmann geleitete Hannoversche Orchestervereinigung eine gute Adresse. Beim Frühlingskonzert im Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnäsium (KWRG) brillierte die Orchestervereinigung gleich mit zwei Raritäten.
Als Werk eines 18-Jährigen kündet Giacomo Puccinis „Preludio Sinfonico“ vom geschmeidigen Melodienfluss des späteren Opernkomponisten.
Verwickelter ist die Geschichte von Edvard Griegs einziger Sinfonie. Der Norweger komponierte sie als 20-Jähriger, zog sie aber später zurück. Im Manuskript findet sich sogar der Vermerk „Darf nicht aufgeführt werden“, was aber weder Musiker noch Verleger daran hinderte, das Werk zu veröffentlichen. Die Hannoversche Orchestervereinigung präsentierte Griegs viersätzige c-Moll-Sinfonie klangschön und balancierte Nuancen zwischen Bläsern und Streichern sorgfältig aus. Dem mit Pauken und Trompeten lärmenden C-Dur-Schluss allerdings konnte das Orchester nicht entrinnen. Da bestätigen sich Griegs Vorbehalte.
Der zweite Teil des gut besuchten Abends galt dem Engagement hoffnungsvoller Solisten. Der dem Laienorchester seit seinem zwölften Lebensjahr verbundene Geiger Andrej Bielow und der aus dem Szymanowski-Quartett bestens bekannte Bratscher Vladimir Mykytka musizierten Mozarts „Sinfonia concertante“. Sie warfen sich die Bälle elegant zu und konnten sich auf das aufmerksam stützende Ensemble verlassen.
Liebhaber funkelnden Duettierens hatten ihr Vergnügen – auch in der zugegebenen Passacaglia von Händel-Halvorsen.
Ludolf Baucke (HAZ)
Hannover | Montag, 24. November 2008
Im Gedenken
Hannoverscher Oratorienchor in der Markuskirche
Sie gedachten auch einer Sängerin, die bei dem Busunglück am 4. November auf der A 2 ums Leben gekommen war: Eindringlich und ergreifend gestaltete der Hannoversche Oratorienchor zusammen mit der Hannoverschen Orchestervereinigung in der Markuskirche das Requiem von Luigi Cherubini. Das Werk erklang erst zum Abschluss des von Peter Marino geleiteten Gedenkkonzertes, doch wirkte es in seiner Gesamtheit wesentlich stärker als zuvor Beethovens Egmont-Ouvertüre und die Missa canonica von Johannes Brahms. Cherubinis aus der Tiefe emporsteigende, zu Beginn des dramatischen „Dies irae“ mit einem einzigen Tamtamschlag aufrüttelnde und schließlich sanft endende Musik war bei Chor und Orchester bestens aufgehoben. Und zwar so gut, dass nicht nur ein dreiviertelstündiger Bogen gespannt, sondern auch Beethovens Wertschätzung bestätigt wurde. Es lohnte, dieses Requiem zu hören, und es lohnt für Laienchöre, sich regelmäßig von Luigi Cherubini inspirieren zu lassen.
Ludolf Baucke (HAZ)
Laatzen | Montag, 22. Oktober 2008
Immanuelkirche wird zum Orient-Express
ALT-LAATZEN. Eine musikalische Reise entlang der Strecke des Orient-Expresses haben die rund 200 Besucher des Benefizkonzerts der Hannoverschen Orchestervereinigung am Freitag- abend erlebt. In der Immanuelkirche spielten die 80 Musiker unter der Leitung von Heinz Bethmann klassische Stücke von Komponisten, die entlang der Fahrtroute des berühmten Zuges gewirkt haben. Die Spendeneinnahmen für den Auftritt sollen der notwendigen Renovierung der Hammer-Orgel zugutekommen.
Die musikalische Reise begann thematisch passend zum Abfahrtsort London mit dem Knightsbridge March auf der London Suite. An der Haltestelle Paris erklang ein Stück aus der Oper „La Boheme“. In Wien spielte die Hannoversche Orchestervereinigung verschiedene Paartänze von Felix Mendelssohn, Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Strauß. Die Reise endete, wie die Strecke des Zugs, in Istanbul.
Zudem traten zwei junge Solistinnen im Programm auf: Sopranistin Mareke Freudenberg und die preisgekrönte Violinistin Solenne Paidassi gestalteten einige Stücke mit den Musikern. Für ihren ersten Auftritt in der Immanuelkirche seit rund sechs Jahren bekam die Vereinigung viel Applaus.
André Nowak (Laatzener Leinebote)
Hannover | Montag, 31. März 2008
Mit leichter Hand
Agata Szymczewska in der Markuskirche
Für gewöhnlich wird die hannoversche Markuskirche eher von Kirchenliedern und andächtiger Stille erfüllt, doch sorgte der Auftritt von Agata Szymczewska dafür, dass tosender Beifall und Fußgetrampel den Raum zum Beben brachte, sogar begeistertes Pfeifen war zu hören.
Die 23-jährige Polin, die als Gewinnerin des Gundlach Musikpreises zwei Jahre von Krysztof Wegrzyn an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover Unterricht wurde, begeisterte als Sologeigerin mit Unterstützung der Hannoverschen Orchestervereinigung (Leitung: Heinz Bethmann) die ausverkaufte Markuskirche. Und das nicht nur, weil sie die technischen Schwierigkeiten von Ludwig van Beethovens Violinkonzert D-Dur, op. 61 leichthändig meisterte. Vor allem mit ihrem Gespür für die Musik, für feinsinnige, fast kammermusikalisch wirkende Zusammenhänge überzeugte die zierliche junge Frau ihr Publikum. Erst nach zwei Zugaben durfte sie die Bühne verlassen.
Anschließend brillierte die Orchestervereinigung mit der hannoverschen Erstaufführung von Richard Strauss‘ Sinfonie Nr. 2 f-Moll, op. 12. Das Stück, das Strauss als 19-Jähriger schrieb, enthält viele Anklänge an Zeitgenossen, zeugt aber auch von Originalität und einer virtuosen Beherrschung dieser Form. Auch hier: viel Applaus.
Regine Pagel (HAZ)
Hannover | Montag, 15. Oktober 2007
Auf der Tonspur
Die Orchestervereinigung spielt Filmmusik
Wie mischt man Beliebtes ohne beliebig zu werden? Wie reiht man einen Höhepunkt an den anderen? Die Hannoversche Orchestervereinigung zeigt, wie es geht. „Film ab!“ nannten Dirigent Heinz Bethmann und sein Orchester diese Tat im voll besetzten Großen Sendesaal des Funkhauses Hannover. Was sich das Orchester auch immer an Noten auf die Pulte legte, der Erfolg stellte sich verlässlich ein. Natürlich halfen dabei Popularität und Erkennungswerte der Titel. Doch das Beste war, wie sich die Orchestervereinigung präsentierte: fit in allen Instrumentengruppen (mit teils sehr beachtlichen Solobeiträgen), gewappnet mit melodischem Schmelz und rhythmischem Pep. Da ertönten beispielsweise die „20th-Century-Fox-Fanfare“, Themen aus „James Bond“ und „Miss Marple“, „Der Pate“ und „Fluch der Karibik“. Natürlich fehlten auch die Ohrwürmer aus „Schindler’s Liste“,“Harry Potter“ und „Titanic“ nicht.
Moderator Rudolf Krieger berichtete von Musik-Oscars und von den immensen Verdienstmöglichkeiten in der Branche der Filmmusik. Recht gewöhnungsbedürftig sang Gesangssolistin Christa Platzer „Cabaret“ und „Over the Rainbow“, bevor sie dann mit „Big Spender“ aus dem Film „Sweet Charity“ zu Recht punktete. Und Katharina Ahrend, Soloklarinettistin der Staatsoper, machte mit dem bezaubernd gespielten langsamen Satz aus Mozarts A-Dur-Klarinettenkonzert mal wieder beste Werbung für „Jenseits von Afrika“.
Laut und leise, schmissig und verträumt: Wie immer sie spielten, Heinz Bethmann und die Orchestervereinigung konnten sich über mangelnden Beifall nicht beklagen. Und auch nicht über mangelndes Pfeifen im Publikum: Doch das galt nicht ihnen, sondern bei den Zugaben der Melodie des „River-Kwai-Marsches“.
Günter Helms (HAZ)
Hannover | Montag, 19. März 2007
Mit Anmut
Die Hannoversche Orchestervereinigung in der St.-Marienkirche
Laienensembles wollen gern große Werke kennenlernen. Mit der dritten Brahms-Sinfonie allerdings wagte die Hannoversche Orchestervereinigung in der St.-Marien-Kirche einen Klimmzug, der den Dirigenten Heinz Bethmann, die Instrumentalisten und das Publikum gleichermaßen strapazierte, wenn nicht gar überforderte. Undifferenziert dirigiert und ohne Raffinessen der Übergänge von Takt zu Takt durchgespielt präsentierte sich diese Sinfonie nicht als Meister-, sondern als Stückwerk.
Da glückte die Uraufführung zu Beginn besser. Harald Weiss hatte ihnen aus seinem Quartett „Stille Mauern“ ein „Gebet“ destilliert, das sich mit sanft fließenden Streicherklängen ganz auf Beschaulichkeit ausrichtete. Die Orchestervereinigung konnte sich von zarten Akkordbändern mit behutsam gezupften Basstönen über ein geschmeidiges Violinsolo bis zu den atmenden Schlussakkorden ganz dem kontemplativen Charakter hingeben.
In Beethovens viertem Klavierkonzert vereinigten sich Lust am Kennenlernen und Förderung des Nachwuchses. Als Solistin war die Japanerin Natsumi Ohno aus Bernd Goetzkes Klavierklasse an der hannoverschen Musikhochschule verpflichtet. Diese im Rahmen ihrer Konzertreifeprüfung musizierende Pianistin ließ in mehrfacher Hinsicht aufhorchen. Sie kostete die lyrischen Passagen aus und verzichtete auf vordergründigen Tastendonner. Läufe und arpeggierte Akkorde wurden so anmutig gezeichnet, dass sich immer wieder kammermusikalische Assoziationen einstellten. In der etwas schwammigen Akustik des weiten Kirchenraums war das eine fasziniert applaudierte Meisterleistung.
Ludolf Baucke (HAZ)
Hörerreaktionen auf diese Kritik
Frühlingsfarben
L. Bauckes Konzertkritik (HOV, 17.3.07) lobt die Pianistin Natsumi Ohno (zu Recht) als anmutig spielende, kammermusikalisch agierende Solistin, vom Publikum frenetisch gefeiert. Auch H. Weiß'“Gebet“ wird vom Verfechter Neuer Musik als hörenswert eingestuft – trotz einer geradezu eintönig angelegten Streicherkulisse, die auch ein daraufgesetztes Violinsolo nicht beleben kann: die Instrumentation bleibt farb-, ja einfallslos. Brahms schwierige 3. Sinfonie blühte dagegen in voller Pracht: der warme Orchesterklang in den gut besetzten Streichern, sicher durch alle Klippen von ihrem erfahrenen Dirigenten Heinz Bethmann geleitet, ergänzte hervorragende Einzelleistungen besonders in den Holzbläsern – von „Stückwerk“ oder gar „Strapazen“ für das Publikum war nichts zu spüren – im Gegenteil: es war begeistert und wünschte sogar eine Zugabe! Der engagierten HOV und ihrer Solistin ist zu danken für ein inspirierendes Konzerterlebnis.
Bitte veröffentlichen Sie meinen Leserbrief. Danke im voraus!
MfG Sabine Reich
…
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bitte um Veröffentlichung des nachfolgenden Leserbriefes!
Mit freundlichen Grüßen
Christian Rath
Ungerechtfertigte Schelte für Bethmann und seine Hannoversche Orchestervereinigung
In zwei Punkten stimme ich der Einschätzung von Herrn Baucke zu: 1.: die Uraufführung vom „Gebet“ von Harald Weiß war geglückt, was die Leistung des Orchesters anbelangt (die Komposition allerdings wirkte auf mich als Zuhörer eher weniger euphorisch, als auf Herrn Baucke: ich empfand sie einem Gebet angemessen: andächtig, nicht mehr und nicht weniger). 2. Die Pianistin Natsumi Ohno dürfte mit Ihrer beeindruckenden Interpretation des 4. Beethoven´schen Klavierkonzerts auch vor den Ohren der Prüfungskommission die Konzertreifeprüfung ohne Zweifel – auch Dank einer gleichermaßen soliden und lustvollen Orchesterbegleitung und -leitung – bestanden haben.
Ganz und gar nicht teile ich allerdings die Meinung von Herrn Baucke zu Brahms 3. Sinfonie! Ich fühlte weder mich strapaziert noch das Orchester oder den Dirigenten überfordert. Gar von Stückwerk zu sprechen, wird weder Orchester noch Dirigent gerecht. Im Gegenteil: es war eine wahre Freude, mit welch Engagement und Spielfreude sowohl die Streicher als auch die Bläser (insbesondere das Holz) zu Werke gingen. Zugegeben: das Dirigat von Heinz Bethmann ist unspektakulär, aber allemal sicher. Und natürlich kann Herr Bethmann das Leistungsvermögen seines Orchesters richtig einschätzen: mit dieser Sinfonie hat er sein Orchester sicher an die Grenze das Machbaren herangeführt und das Laien(!)-Orchester hat diese Aufgabe dankbar angenommen und gemeistert! Lieber Herr Baucke: es haben nicht die Berliner Philharmoniker gastiert!
Ich hatte einen Platz in der 3. Reihe und konnte – im Gegensatz zu Herrn Baucke – keine schwammige Akustik feststellen. Vielleicht hat Herr Baucke in der Kirche ja einen derart ungünstigen Platz gehabt, dass dessen Akustik ihm den Brahms so vermasselt hat.
Hannover | Montag, 27. November 2006
Russisches Allerlei
Die Hannoversche Orchestervereinigung in der Markuskirche
Seit Jahren zeigt sich die Hannoversche Orchestervereinigung ausgesprochen reisefreudig, wenn es um die Zusammenstellung ihrer Konzertprogramme geht. In der hannoverschen Markuskirche ging’s nun nach Russland. Dirigent Heinz Bethmann hatte für seinen hochmotivierten Klangkörper einen bunt gemischten Klangstrauß aus „Russischen Favoriten“ zusammengestellt. Nach der Eröffnungsszene aus Tschaikowskys „Schwanensee“ zeigte sich aber spätestens in Mussorgskis „Nacht auf dem kahlen Berge“, dass Russland klanglich nicht so leicht zu bereisen ist wie der Mittelmeerraum.
Natürlich wurde auch die russische Oper nicht vergessen, wobei Henning Thorwalds Bariton für den Jeletzky aus Tschaikowskys „Pique Dame“ noch zu raustimmig klang. Dörte Blase zeigte mit Rachmaninows „Vokalise“ wie man eine Sopranstimme bruchlos durch die Register gleiten lässt, während ihre Schwester Heidrun mit Tschaikowskys „Jeanne d’Arc“ eine Lanze für ein leider viel zu selten gespieltes Werk brach.
Höhepunkt des Abends war aber der Auftritt der Gewinnerin des Posener Wieniawski-Wettbewerbs, Agata Szymczewska. Die 21-jährige Geigerin zauberte in Rimsky-Korsakows „Fantasie über ein russisches Thema für Violine und Orchester“ brillant die slawischen Klangfarben hervor, die man zuvor an diesem Abend vermisst hatte.
Stefan Mauß (HAZ)
Hannover | Dienstag, 30. März 2006
Musik für die Augen
Das VisualizeConcert der Orchestervereinigung
Putzfrauenstreik im hannoverschen Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium? Überall liegen verwaiste Besen und Schrubber herum. Ein kurzer Blick ins Programmheft der Hannoverschen Orchestervereinigung (HOV) klärt auf: Es muss ein Programmhinweis sein. Denn gegeben wird neben Schuberts „Unvollendeter“ und Mozarts Doppelkonzert KV 299 (Solisten: Ruth-Alice Marino, Harfe, und Alexander Stein, Flöte) auch Paul Dukas‘ „Zauberlehrling“. Und dort spielt bekanntlich ein unsachgemäß verhexter Besen die Hauptrolle.
Die experimentierfreudige HOV und ihr Leiter Heinz Bethmann haben sich eine überaus originelle Präsentationsform für dieses turbulente Stück Programmmusik (und für die „Unvollendete“) einfallen lassen. Das Zauberwort heißt „VisualizeConcert“. Dahinter steckt die Idee, Musik nicht nur für die Ohren zugänglich zu machen.
Während die HOV energisch und klangstark aufspielt, blendet ein Videobeamer didaktische Fingerzeige über dem Orchester ein: Wann taucht welches Motiv in welcher Instrumentengruppe auf? Sind wir noch in der Exposition oder schon in der Durchführung? Ein Blick nach oben, und der Zuhörer sieht klarer, was er hört. Das kleine Einmaleins der musikalischen Formenlehre sollte er allerdings beherrschen – Formeln wie „Kanonartige Einsätze des 2. Themas (Quintfall bzw. Quartfall)“ dürften Klassiknovizen Kopfzerbrechen bereiten. Trotzdem: Das Konzept ist vielversprechend – es ist lehrreich, ohne zu belehren. Und wer partout nichts lernen will, macht einfach die Augen zu und genießt die Musik pur.
Daniel Behrendt (HAZ)
Hannover | Dienstag, 22. November 2005
Aus der neuen Welt
Die Hannoversche Orchestervereinigung beim NDR
Wie klingt Amerika? So vielfältig, dass es ein Kingsize-Konzert braucht, um sich ein halbwegs vollständiges Bild vom Klang der unbegrenzten Möglichkeiten zu machen. Nicht weniger als zwölf Werke von zehn amerikanischen Komponisten hatten die Hannoversche Orchestervereinigung und ihr Leiter Heinz Bethmann auf den Pulten im großen Sendesaal des NDR parat liegen.
Hinter schnöden Noten und Pausenzeichen schlummerte ein knallbunter Mix aus Symphonik, Bigbandsound und Hollywoodohrwürmern, den die tatkräftigen Orchesteramateure mit hör- und sichtbarem Enthusiasmus anpackten. In Sack und Asche musste freilich keiner der Musiker erscheinen: Zum Potpourri aus Bernsteins „West Side Story“ oder zum Streifzug durch John Williams‘ Filmhits aus „Star Wars“, „Harry Potter“ & Co. machten auch Blue Jeans, ein weißes Hemd und der lässig gebundene rote Schlips eine gute Figur. Sogar Jan Gottlieb Jiracek, der in George Gershwins „Rhapsody in Blue“ am Flügel brillierte, warf sich dem Anlass entsprechend in Frack und Cowboystiefel und trug die „Stars and Stripes“ als Kummerbund. Jiraceks Bruder Pavel führte wendig und wortwitzig durch den Abend und punktete obendrein als komödiantisch veranlagter Gesangssolist in Aaron Coplands „Old American Songs“. Zur unbestrittenen Königin des Abends avancierte die Klarinettistin Katharina Arend mit herrlich biegsamem Ton im swinginspirierten Klarinettenkonzert der Bandleaderlegende Artie Shaw.
John Cages berühmt-berüchtigtes Schweigestück „4’33““ gab schließlich wirklich allen, auch ohne Instrument und Notenkenntnisse, Gelegenheit zum „Musizieren“: Totenstille auf der Bühne, Raunen, Pfeifen, Kichern und klingelnde Handys im Saal – köstlich!
Daniel Behrendt (HAZ)
Hannover | Montag, 27. September 2004
Der Sonne entgegen
Die Hannoversche Orchestervereinigung in der Markuskirche
Der Herbst „der bricht Dir noch das Herz. Fliege fort! Fliege fort“, bedichtete Nietzsche seine Sommerenddepression. Ähnliches hatte die Hannoversche Orchestervereinigung im Sinn, als sie am Sonnabend in der Markuskirche eine musikalische Pauschalreise offerierte. Das Ziel hieß „Bella Italia“, das Land wo Canzonen und Prunkarien blühen. Der Andrang war kolossal.
Bevor es losgehen konnte, hob aber erst einmal Murren und Meutern an, weil einige Besitzer hochpreisiger Eintrittskarten den Ausflug im hinteren Teil des Gemäuers auf schnödem Gartengestühl absitzen sollten. Es wurde aber schnell alles gut. Zum einen, weil die Reiseleitung geldwerte Entschädigung in Aussicht stellte, zum anderen eröffnete Dirigent Heinz Bethmann das Konzert jetzt mit der Ouvertüre aus „Die Italienerin in Algier“, Rossinis sprühendem Jugendwerk. Der ExtraChor der Niedersächsischen Staatsoper pflügte engagiert durch den Osterchor der „Cavalleria Rusticana“, Sopranistin Mareke Freudenberg erntete Bravo-Ru-fe für eine elegante wie herzerwärmende Version von Verdis „Ave Maria“, während Tenor Latchezar Pravtchev dessen „La Donna e mobile“ unter die Decke schmetterte. Dass ihm dabei die Luft in der Höhe etwas dünn wurde, störte niemanden. Denn in den nächsten zwei Stunden ließ die HVO vom „O sole mio“ bis zum „Gefangenen-Chor“ aus Nabucco Belcanto-Hits satt von der Bühne rauschen und erntete verdiente Ovationen für einen ausgesprochen sonnigen Abend.
Michael Quasthoff (HAZ)
Hannover | Dienstag, 11. März 2004
Sphärische Solidarität
Benefizkonzert für ukrainische Kinder in der Markuskirche
Auch ein Musikerherz befindet sich in der linken Körperhälfte. Mit der scheint der (rechte) Bogenarm des Geigers Andrej Bielow allerdings direkten Kontakt zu haben. Der 22-Jährige ist zwar kein Wunder – weder anatomisch noch musikalisch -, aber eben doch ein wundervoller Musiker. Bielow, im Jahr 2000 Preisträger des hannoverschen Violinwettbewerbs, war jetzt in einem Benefizkonzert für Waisenkinder im ukrainischen Lutugino zu erleben. Begleitet vom Kammerorchester der Hannoverschen Orchestervereinigung, zeigte er sich in Bachs „Konzert für zwei Violinen d-moll“ ebenso kompromisslos wie in dem Ritornell für zwei Soloviolinen und Streichorchester „Mögen Sie Vivaldi?“ von Ladislav Kupkovic humorvoll. An Bielows Seite ließ das erst zwölfjährige „Wunderkind“ Victor Kuznetsow aufhorchen – vor allem aufgrund seines linken Armes. In den Zugaben bewegten sich seine Finger aberwitzig schnell über das Griffbrett.
Ganz ohne Geschmacksverstärker kam das Kammerorchester unter der Leitung von Heinz Bethmann in Edward Elgars „Serenade für Streichorchester e-moll“ aus: überzeugend die unverkrampfte und direkte Musizierhaltung, erfreulich der geschlossene und bewegliche Streicherklang.
Der Mädchenchor Hannover unterstützte in der gut besuchten hannoverschen Markuskirche das Benefizprojekt mit „Seven Part Songs“ für Frauenchor und Orchester von Gustav Holst. Die rund vierzig Sängerinnen übersetzten unter Chorleiterin Gudrun Schroefel die oft sphärische Klangsprache ausgesprochen plastisch und geschmeidig. Viel Applaus nicht nur für die Solidarität.
Gert Deppe
Hannover | Dienstag, 23. März 2004
Fit im Alter
Jan Gottlieb Jiracek bei der Hannoverschen Orchestervereinigung
Es gibt nicht viele Klangkörper, die auf eine so lange Geschichte zurückblicken können. Die Hannoversche Orchestervereinigung feierte ihren 130. Geburtstag jedoch nicht mit großen Worten, sondern mit einem ambitionierten Festkonzert im voll besetzten Funkhaus Hannover. Nur das Beste war dafür gut genug: Beethovens 3. Symphonie und Wagners Ouvertüre zu den „Meistersingern“ umrahmten das Klavierkonzert von Dvorak.
Ein wunderbares Geschenk hatte sich das Orchester selbst gemacht, indem es Jan Gottlieb Jiracek als Solisten engagierte. Der aus Hannover stammende Pianist ging Dvoraks effektvolles Werk mit Furor und Geschmack an. Mit lässiger Selbstverständlichkeit meisterte er alle pianistischen Schwierigkeiten und erzielte dabei ein bezwingendes Resultat: hier kraftvoll und reißerisch, dort so fein und zart, wie man es sich nur wünschen kann. Mit seinem rhythmisch prägnanten Spiel und unwiderstehlichen Schwung feuerte Jiracek auch das Orchester und seinen Dirigenten Heinz Bethmann an. Ihre präzise und engagierte Begleitung gipfelte in einen herrlich bombastischen Schluss.
Gegen solche Höchstleistung verblassten die beiden anderen orchestralen Prüfsteine zu Achtungserfolgen: Wagners schwelgerischer Ouvertüre fehlte nicht nur die hier so bedeutsame Tuba, sondern hin und wieder auch die klare Kontur. Und Beethovens wohlbekannte „Eroica“ wurde in der etwas spannungsarmen Auf führung nicht immer höchsten Ansprüchen gerecht. Angesichts der enormen Schwierigkeiten, die beide Werke gerade einem Laienorchester abverlangen, musste man aber der souveränen Leistung der Orchestervereinigung höchsten Respekt zollen. Ihr hohes Alter merkt man dieser blühenden, zukunftsträchtigen Institution nicht an.
Stefan Arndt (HAZ)
Hannover | Dienstag, 23. März 2004
Bethmann – Beethoven zum Geburtstag
HANNOVER. Beethoven zum Geburtstag: Seit 130 Jahren mischt sie auf den hiesigen Konzertpodien mit: die „Hannoversche Orchestervereinigung von 1874“. Und seit 34 Jahren unter der Leitung ihres Chefs Heinz Bethmann. Mehr als 150 Konzerte hat er schon mit der Vereinigung bestritten, nun auch das Jubiläumskonzert zum Jahrestag.
Immerhin, den Großen Sendesaal am Maschsee haben sie trotz widrigsten Wetters gefüllt. Man muss schon genau hinhören, will man die etwa 70 Hobby-Musiker von Profis unterscheiden. So punktgenau kommt das gezupfte Eroica-Thema in Beethovens Dritter. Und wie das vereinigte Orchester dann den Dschungel der Mehrstimmigkeit durchforstete, klingt schon beachtlich. Im ersten Satz kam man indessen leicht außer Atem. Bethmann ließ wenig Spielraum für Spannungen. Aber dafür geriet der Trauermarsch danach so richtig warm und erdenschwer.
Begonnen hatte es mit Wagners Meistersinger-Vorspiel. Da brauchten Dirigent und Orchester etwas Zeit, bis man zu einem gemeinsamen Ablauf fand. Die Blechdominanz machte den Streichern hörbar Schwierigkeit ten. Anders bei Griegs Klavierkonzert mit Jan Gottlieb Jirasek. Der junge hannoversche Pianist zog erst einmal rhythmische Korsettstangen ein. Etwas pathetisch, aber gut für sicheres Zusammenspiel. Mehr Lyrik konnte er sich im langsamen Satz leisten. Volkstümlich der Schluss: locker und spritzig, rasant in den virtuosen Kurven.
G. H. (NP)
Hannover | Freitag, 7. März 2004
Das Spiel mit Freunden
Es war ein Zufall, der Andrej Bielow (22) vor zehn Jahren nach Hannover führte. Ein Violinist war kurz vor einem Konzert krank geworden, doch er wusste Ersatz: Er kannte den damals zwölfjährigen Andrej und wusste, wie talentiert der Ukrainer ist. Und so ging der Junge unversehens mit dem Kammerorchester der Hannoverschen Orchestervereinigung und dem Mädchenchor auf Reisen. Seit jener Zeit ist Andrej den Musikern ans Herz gewachsen – weshalb sie am Sonntag um 18 Uhr in der Markuskirche gemeinsam ein Benefizkonzert geben, unter anderem mit Werken von Gustav Holst, Johann Sebastian Bach und Edward Elgar.
Doch Bielow ist nicht nur für ein Gastspiel in Hannover: Seit fünf Jahren studiert er an der Musikhochschule und lebt seither als „Pflegesohn“ bei Prof. Ursula Hansen (64) vom Lehrstuhl Marketing der Universität. „Sie ist für mich eine mütterliche Freundin“, erzählt er, „der ich viel zu verdanken habe.“ Die ersten Violinenstunden erhielt Andrej Bielow mit fünf Jahren. Sein Lehrer Michail Kuznetsow unterrichtete ihn damals „mit der richtigen Mischung aus Sanftheit und Strenge“. Ihn hat der 22-Jährige nun eingeladen -denn dessen Enkel Victor Kuznetsow (12), der ebenfalls als hochbegabt gilt, ist als Solist beim Benefizkonzert dabei.
Seine Heimat hat der Musiker schon eine Weile nicht mehr besuchen können. „Ich habe aber schöne Kindheitserinnerungen an das wilde, naturverbundene Leben in der Ukraine“, erzählt er. Die Konzerteinnahmen sollen ukrainischen Waisenkindern zugutekommen. Karten sind im Vorverkauf bei Laporte (Telefon 3 63 29 29), in der Buchhandlung an der Marktkirche und an der Abendkasse erhältlich.
sui
Hameln | Dienstag, 2. Dezember 2003
Frisch, charmant, bezaubernd: Dieses Konzert bleibt unvergessen
Polizeichöre Hameln und Nürnberg sangen / Orchester aus Hannover

Sie wollten mittels zauberhafter Musik aus dem grauen Alltag entführen, und das gelang den Polizeichören Hameln und Nürnberg sowie der Hannoverschen Orchestervereinigung wieder einmal hervorragend. In Oper, Operette, Musical oder Volksliedern fühlten sich die Hamelner gleichermaßen zu Hause und sangen sich sicher durch jeden Bereich der Musikwelt. Dabei stellten sie ihr alles andere als laienhaftes Potenzial erneut durch hohe Präsenz und Lebendigkeit unter Beweis.
Doch der Hamelner Polizeichor bot auch optisch einen Genuss, als er sich zu Lortzings „Zar und Zimmermann“ kurzweilig im ¾-Takt zu wiegen begann. In den solistischen Passagen dieser Oper bestach Heinz Maraun, der nicht nur mit voller Stimme, sondern auch mit Charme und Humor das Publikum eroberte. Es schlossen sich „Warum sollten wir nicht froh sein“ und „Mädel komm und tanz“ aus Smetanas „Die verkaufte Braut“ voller Dynamik an, wobei die Sängerinnen und Sänger gerade auch die anspruchsvollen Passagen im Piano perfekt meisterten.
Mit den herausgearbeiteten Facetten der Liebe – mal frisch, mal verhalten, leicht melancholisch, forsch oder lieblich – des Liebeslieder-Walzers (op. 52) von Johannes Brahms entließen die Hamelner schließlich in die Pause.
Auch der Gastchor aus Nürnberg unter der Leitung von Pius Amberger beherrschte sein Repertoire und verzauberte mit vollen, kräftigen Männerstimmen. „Zauberflöte“, der Jägerchor aus dem „Freischütz“, populäre Filmmelodien von „Ein Freund, ein guter Freund“ bis „Das gibt´s nur einmal“ ließen Mitsummen und beim „Ich hätt´ getanzt heut´ Nacht“ (My Fair Lady) schwelgen. Im zweiten Programmteil entführten die Hamelner dann in die Welt des Musicals von „Phantom der Oper“ bis zu „Cats“.
Melodien aus „Anatevka“ und der „Die Fledermaus“ folgten, bevor der Nürnberger Chor ein wunderschönes Weihnachtspaket aus vertrauten Liedern schnürte. Zum großen Finale vereint boten beide Chöre zusammen mit dem Orchester ein imposantes Arrangement von „Vom Himmel hoch“ und „Stille, Nacht, heilige Nacht“. Musikdirektor Wolfgang Maria Sieben hatte somit wieder ein Feuerwerk musikalischer Genüsse mit hochkarätiger Orchesterbegleitung inszeniert. Für den verbindenden roten Faden zwischen den Programmteilen sorgte gewohnt charmant und mit Esprit Kriminaldirektorin Heike Fischer. Selbstverständlich durften nach einem solchen Konzert die Chöre nicht ohne Zugabe die Bühne verlassen.
Nicole Schreiber (Dewezet)
Hannover | Dienstag, 23. September 2003
Generation Wolf
Die Orchestervereinigung gibt ein Familienkonzert
Musikbegeisterte Kinder dürften derzeit in Niedersachsen gewisse Termin-Schwierigkeiten haben. Nachdem die „Niedersächsischen Musiktage“ unter dem Thema „Kinder“ stattfanden, meldete sich jetzt im Funkhaus auch die Hannoversche Orchestervereinigung mit einem Familienkonzert zu Wort. Das Programm hatte in sympathischer Weise für Kinder aller Altersstufen etwas „Bezauberndes“ aus der Sagen- und Märchenwelt zu bieten. Dirigent Heinz Bethmann hatte die Musiker auf den Punkt vorbereitet und begann mit der Fanfare aus John Williams Filmmusik „Star Wars“ Die klang hier allerdings so sehr nach Militärmarsch, als hätte Friedrich der Große diesen (Klang-) Krieg geführt. In Williams „Harry Potter“-Suite spielte das Orchester später schon wesentlich freier und überzeugender mit der Kinoklangwelt.
Durch die kindgerechte Moderation Rudolf Kriegers blieb das junge Publikum auch bei den Ausschnitten aus Griegs „Peer Gynt“ gebannt auf seinen Plätzen, zumal die Orchestervereinigung nach einem etwas zu verzagten „Brautraub“ facettenreich duftig Anitras Tanz darbot und es gleich darauf in der „Halle des Bergkönigs“ so richtig krachen ließ. Gewohnt vielseitig zeigten sich auch die Sopranistin Dörte Blase und ihre Schwester Heidrun (Alt), die in dem für Kinder eher ungewohnten Belcanto-Duett „Alle piu care“ aus Rossinis „Semiramide“ genauso stimmsicher wie perfekt aufeinander eingespielt waren wie in den Ausschnitten aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“.
Nach der Pause überzeugte das Experiment, Paul Dukas „Zauberlehrling“ mit Goethes Balladentext zu kombinieren, die der Sprechchor Hannover unter der Leitung von Engelberg Georg hinreißend klangmalerisch beisteuerte. Mit dem „Fischer“ des Weimarer Dichterfürsten demonstrierte er anschließend, dass der Chor auch ohne symphonische Unterstützung Wassermassen klangstark und mitreißend zu bewegen versteht.
Durch das abwechslungsreiche Programm fiel dem Publikum das Warten auf den Wolf in Form von Prokofjews symphonischem Märchen dann auch nicht schwer. Mit Pavel Jiracek hatte man einen klangfarbenreichen Sprecher gefunden, der mit der unvergleichlich humanistisch-humoristischen Loriot-Version des Textes nicht nur die Augen der Kinder zum Leuchten brachte. Die „Generation Wolf“ war begeistert.
Stefan Mauß (HAZ)
Hannover | Dienstag, 18. März 2003
Lieder vom Frühling
Die Hannoversche Orchestervereinigung
Draußen kündete strahlender Sonnenschein vom nahenden Frühling, drinnen erklangen Lieder vom „letzten Frühling“ und von „blauen Düften“, die „in dämmrigen Grüften“ erträumt werden. Doch trotz aller Mollklänge kam beim Konzert der Hannoverschen Orchestervereinigung im Landesfunkhaus Hannover keine trübe Stimmung auf. Stargast Gabriele Fontana intonierte die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss mit bewundernswerter Textverständlichkeit, mit Wärme und Resonanz in den tieferen Tönen und mit agiler Höhe. Den Balanceakt zwischen abgeklärter Naivität und virtuoser Attitüde meisterte das langjährige Ensemblemitglieder der Staatsoper, das in Hannover nicht vergessen ist, souverän. Dirigent Heinz Bethmann legte ihr zusammen mit der Orchestervereinigung einen manchmal sogar luxuriös schillernden Klangschal um die Schultern.
Begonnen hatten die Streicher mit elegant elegischen Melodien von Grieg. Und zum Abschluss zeigten Bethmann und seine Musiker bei Tschaikowskys 5. Sinfonie, wie man mit kontrolliertem Überschwang auch kleine Klippen überwindet. Viel Beifall.
Rainer Wagner (HAZ)
Hannover | 15. März 2003
Ein Star kehrt zurück
Fünfzehn Jahre lang war sie einer der Stars der hannoverschen Staatsoper, wo sie 238-mal auf der Bühne stand. Jetzt kehrt Gabriele Fontana (41) aus ihrer Wahlheimat Wien nach Hannover zurück. Allerdings nicht auf die Opernbühne, sondern in den Großen Sendesaal des Landesfunkhauses Niedersachsen. Dort wird sie zusammen mit der Hannoverschen Orchestervereinigung an diesem Sonntag „Vier letzte Lieder” von Richard Strauss vortragen. Dirigent Heinz Bethmann darf sich in guter Gesellschaft fühlen. Zuletzt sang Gabriele Fontana an der Bayerischen Staatsoper die Rosalinde in der „Fledermaus” – mit Weltstar Zubin Mehta (67) am Pult. Und demnächst wird Dirigier-Altmeister Wolfgang Sawallisch (80) in Rom ihr Partner sein. Dass sich Hannovers Staatsoper verändert hat, hat sich auch nach Wien herumgesprochen, wo die gebürtige Innsbruckerin lebt. Einen Opernbesuch hat die Sopranistin aber nicht eingeplant: „Ich geh lieber ins Theater.” Dass sich auch die Stadt anders darstellt, ist ihr schnell aufgefallen: „Das Stadtbild hat sich verbessert, und es gibt schöne neue Geschäfte.” Ein Grund mehr, dass die „letzten Lieder” nicht ihre letzten in Hannover sein müssen.
Rainer Wagner (HAZ)
Laatzen | Montag, 10. März 2003
Hannoversche Orchestervereinigung brilliert vor 130 Zuhörern in der Immanuelkirche
Paukendonner und Streicherfortissimo
Das war Maßarbeit: Just als Dirigent Heinz Bethmann von der Hannoverschen Orchestervereinigung mit seinem Taktstock den letzten Klang anzeigt und der Nachhall des Tons soeben in der Immanuelkirche verklingt, schlägt die Turmuhr. Wie zum Beweis, dass sich die Prophezeiung der Kantorin Cornelia Jiracek nicht bewahrheitet hat. Sie hatte zu Konzertbeginn versichert, der Vortrag der Sinfonie Nr. 5 in e-Moll, opus 64 von Peter Iljitsch Tschaikowsky habe einen Klang, „da fliegt glatt das Dach weg. Doch die Kantorin hatte am Sonnabendabend nur unwesentlich übertrieben. Der Vortrag der Orchestervereinigung hat es in sich: Das Spiel der Streicher ist so kraftvoll, dass der Zuhörer fast meint, den Klang im Kirchenraum mit den Händen greifen zu können. Die Pauke steigert sich zu einem Donnerwirbel, und die Bläser treiben das Spiel zu einem fulminanten Finale. Aber auch die leisen Töne liegen der Orchestervereinigung, wie sie nicht nur in den ruhigeren Passagen der Sinfonie von Tschaikowsky beweist. Weich schmeicheln die Streicher auch bei Edvard Griegs „Herzwunden“ und „Letzter Frühling“, die wie Joseph Haydns Konzert für Violincello und Orchester in D-Dur, opus 101, zuvor den Abend eingeleitet haben. Die 70 Musiker bereiten den Zuhörern ein eindrucksvolles Konzerterlebnis – und ernten entsprechenden Applaus. Dass in der Kirche einige Bänke frei blieben, dürfte indes nicht an der ernsten, sondern viel mehr an kaum ernst zu nehmender Musik gelegen haben: Im Fernsehen lief zeitgleich das Finale Bohlen’scher Nachwuchssänger-Suche. Umso mehr freute sich Jiracek über die etwa 130 Gäste, die klassischen Tönen den Vorzug gaben. „Und ich denke, dass wir Ihnen heute hier ganz viele Superstars zeigen können“, sagte sie an das Publikum gewandt.
Die nächste Gelegenheit, die Hannoversehe Orchestervereinigung zu hören, bietet sich übrigens am Sonntag, 16. März. Dann treten die Musiker mit leicht geändertem Programm von 17 Uhr an im Großen Sendesaal des NDR in Hannover auf.
st (Laatzener Leinebote)
Hameln | Montag, 2. Dezember 2002
Die Polizei als Chor – einfach mitreißend
Traditionelles Weihnachtskonzert des Polizeichores mit Gästen: Zwei Vorstellungen sorgten für Furore
Hameln. Unter dem Motto „Polizei singt und musiziert zur Weihnachtszeit“ entführte der Hamelner Polizeichor in die zauberhafte Welt der Musik. Unter der Gesamtleitung des Musikdirektors Wolfgang Maria Sieben hielten die Chöre und das Orchester in zwei ausverkauften Vorstellungen im Theater am Samstag ein umfangreiches Programm bereit.
Während im ersten Programmteil Melodien aus Oper, Operette und Musical vorherrschten, wurde es im zweiten Teil vorweihnachtlich und festlich. Durch das Programm führte wieder Kriminaldirektorin Heike Fischer, die charmant und humorvoll die einzelnen Stücke miteinander verband. In diesem Jahr hatte der Polizeichor die Hannoversche Orchestervereinigung zu Gast, die mit hohem Niveau bereits mit der Ouvertüre, dem Vorspiel zum 3. Akt des „Salomon“ von Georg Friedrich Händel in die imposante Welt großer Komponisten entführte. Es folgten unter anderem „Schon die Abendglocken“ von Kreutzer, bei denen der Chor – ob im pianissimo, legato oder crescendo – brillierte, sowie Melodien aus dem „Freischütz“, bei denen die Solistin Tatjana Rodenburg mit ihrem klaren Sopran und Publikumsnähe begeisterte. (…)
Von Nicole Schreiber
Hannover | Dienstag, 24. September 2002
Mit Gästen: Hannoversche Orchestervereinigung beim NDR
Spanischer Marathon
Es mag ein Bezug auf die lange Geschichte der Hannoverschen Orchestervereinigung gewesen sein: Der „Spanische Abend“ im Landesfunkhaus war bunt und umfangreich wie ein Konzert aus dem 19. Jahrhundert. Neun Komponisten von Telemann bis Ravel standen auf dem Programm, dazu musikalische Erläuterungen, Gedichtrezitation und Flamenco. Eine Fülle, die andernorts für eine ganze Konzertreihe gereicht hätte.
So gönnte man sich auch gleich zwei hochkarätige Solisten: Der preisdekorierte Geiger Andrej Bielow, der schon vor acht Jahren als „Wunderkind“ mit dem Orchester musizierte, entzündete ein virtuoses Feuerwerk in der „Carmen-Phantasie“ von Pablo de Sarasate – dem Werk eines Spaniers, der sich der Themen seines französischen Kollegen Bizet annahm. Edouard Lalos Cello-Konzert dagegen ist ein spanisch inspiriertes Stück eines französischen Komponisten. Nikolai Schneider, Solo-Cellist der Radiophilharmonie Hannover, musizierte es temperamentvoll und farbig.
Nikolai Rimski-Korsakows „Capriccio espagñol“ und Maurice Ravels „Alborada del gracioso“ gaben dem Orchester Gelegenheit, alleine zu glänzen. Wie die für ein Liebhaberorchester horrenden Schwierigkeiten dieser Werke gemeistert wurden, nötigte Respekt ab. Sicher und beruhigend führte Heinz Bethmann seine Orchestervereinigung durch die Tücken der Partituren. Dass spanische Leidenschaften dabei auf der Strecke blieben, wurde durch die mitreißenden Einlagen des Flamenco-Trios „Elva La Guardia“ mehr als ausgeglichen. Die Zuhörer im gut gefüllten Funkhaus dankten es mit herzlichem Applaus.
Stefan Arndt (HAZ)
Hannover | Dienstag, 19. Februar 2002
Mitreißender Nachwuchs
„Jugend musiziert“: Vier Preisträger in Laatzen
Vier Solokonzerte nacheinander gibt es nur selten an einem Abend. Beim Konzert der Hannoverschen Orchestervereinigung in der Laatzener Immanuelkirche sollte diese Programmzusammenstellung nicht die einzige Überraschung bleiben. Das Orchester hatte sich unter der Leitung seines mit großer Übersicht agierenden Dirigenten Heinz Bethmann vier hochkarätige „Jugend musiziert“ – Preisträger als Solisten gesichert.
Den Beginn machte Igor Levit mit Beethovens erstem Klavierkonzert. Bereits hier zeigte sich, dass die jungen Künstler mit der prächtig disponierten Orchestervereinigung einen guten Begleiter gefunden hatten. Bethmann ging das Allegro con brio zwar noch etwas behäbig und holzschnittartig an, folgte aber bald dem musikalischen Einfallsreichtum Levits, der sehr sorgsam, aber nahezu mühelos die Nuancen des Werkes herausarbeitete.
Als zweite Kandidatin stellte sich Ricarda Kindt mit Webers Klarinetten-Concertino op. 26 vor. Die Orchestervereinigung war mit Webers eher obligaten Begleitstimmen kaum gefordert und beschränkte sich aus musikalische Stichwortgeben. Kindt nutzte die Impulse zu einer Interpretation wie aus einem Guss. Sicher navigierte sie ihre Klarinette durch die halsbrecherischen Skalen, spannend spielte sie mit den häufigen Dynamikwechseln und vermochte durch kluge Atemtechnik größte musikalische Bögen ohne Klangeinbußen auszuformen.
Dass sich der erst zwölfjährige Niklas Liepe an Bruchs Violinkonzert wagte, war an sich schon eine Sensation – dass er es so mitreißend bewältigte, war die zweite Überraschung. Wie dieser begabte junge Geiger erst mit Mitte zwanzig spielen wird? Das musikalische Sahnehäubchen setzte Claudius Müller dem Abend mit dem Hornkonzert von Richard Strauss auf. Schon mit dem eröffnenden Dreiklangsruf demonstrierte Müller technische Sicherheit und packenden Zugriff. Und diesen Ball nahm die Orchestervereinigung sofort auf und wurde nicht nur in den Dialogsequenzen mit Klarinette und Fagott zum hinreißenden musikalischen Diskussionspartner des Solisten.
Müllers stets fokussierter Ton sowie sein vorwärts drängendes Musizieren rissen (trotz einer minimalen Unkonzentriertheit am Schluss des Andantes) das Publikum einfach mit, das sich bei der Orchestervereinigung und den jungen Solisten mit viel Applaus für einen ungewöhnlichen Konzertabend bedankte. Er bewies zudem, dass man sich hier zu Lande trotz Pisa-Studie zumindest um den musikalischen Nachwuchs keinerlei Sorgen zu machen braucht.
Stefan Mauß (HAZ)
Im Bann
Orchestervereinigung feiert mit Antje Weithaas
Das Publikum schwieg gebannt, lauschte dem Klangzauber: Die Violinistin Antje Weithaas nahm die Zuhörer als Stargast beim Jubiläumskonzert zum 125-jährigen Bestehen der hannoverschen Orchestervereinigung im Großen Sendesaal des NDR gefangen.
Mendelssohn Bartholdys e-Moll-Violinkonzert präsentierte sie technisch versiert, und zwar sowohl im Hinblick auf Fingerfertigkeit als auch im Erdenken und Erfühlen der Musik. Ob ausdrucksvoll-bewegtes Hauptthema im Eröffnungssatz, ob typisch mendelssohnsche Kantilene im Andante – immer traf Weithaas den richtigen Ton.
Souverän begleitet wurde sie durch die Orchestervereinigung unter der Leitung von Heinz Bethmann, die das restliche Programm des Abends allein bestritt. Beispielsweise die am Anfang stehende „Akademische Festouvertüre“ von Johannes Brahms. Deren Festlichkeit allerdings fehlte den Hannoveranern zuweilen. Umso besser gelang der „Cantus in memory of Benjamin Britten“ des in Estland geborenen Komponisten Arvo Pärt. Den Schlusspunkt setzte Prokofieffs „Symphonie classique“. Das Ensemble zeigte sich hier von seiner besten Seite: leicht und heiter floss die Musik dahin, melodisch klar und anmutig. Das Publikum bedankte sich mit viel Beifall.
Sal (HAZ)
Biß der Celli
Ein statischer Triller: Er steht wie eine Säule. Beginnende Bewegung in der Musik: Er geht in die Knie, drängt nach vorn. Spitzentöne: Er schleudert sie auf Zehenspitzen ins Publikum. Ulf Hoelscher spielt nicht Geige, verkörpert die Musik, ungewöhnlich intensiv und elegant.
Die Hannoversche Orchestervereinigung hatte den Geiger zum Jubiläums-Festkonzert („120 Jahre Musikkultur“) eingeladen, Hoelscher setzte einen im Gedächtnis bleibenden Höhepunkt. Seiner Bühnenpräsenz entsprach sein Spiel, dem man in der kräftigen Virtuosität des ersten Satzes (Beethovens Violinkonzert) noch mangelnde Zärtlichkeit unterstellen konnte. Eine Vermutung, die Hoelscher im Larghetto sanft und innig widerlegte.
Das Orchester begleitete trotz großer Besetzung sensibel. Kein auftrumpfendes Forte erschlug den Solisten. Diese positive Zurückhaltung hatte der Dirigent Heinz Bethmann den Musikern auch in Dvoràks achter Sinfonie nahegelegt. Zumindest den Trompeten und Hörnern, von denen man gern Kräftigeres gehört hätte. Den „Biß“ in der Musik fanden vor allem die Celli und Posaunen, die dem Orchester Impulse setzten und es zu feurigem Musizieren anregten.
Die Hannoversche Orchestervereinigung zeigte sich als Liebhaberorchester erster Güte, in dem es vor allem um musikalisches Musizieren ging. Die zahlreichen Zuschauer quittierten es mit lebhaftem Beifall.
Sal (HAZ)
Hannover | Aula des Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasiums
Kritik des Konzertes vom 10.10.1998
Ein Konzert der besonderen Art bot am Sonnabend abend die Hannoversche Orchestervereinigung in der Aula des Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasiums. Noch bevor die erste Note erklungen war, verlas der Moderator Ernst-Erich Buder bereits die Kritik. Ein verhältnismäßig schwerwiegendes Programm fleißiger Kunstjünger sei es gewesen, der Pianist habe Fortschritte gemacht, aber echte Größe würde sich erst mit den Jahren einstellen. Daß die etwa 250 Konzertbesucher diese Unverfrorenheit dennoch mit Gelächter quittierten, lag daran, daß die Zeit den einstmals ätzenden Verriß zur Schmonzette degradiert hatte. Nicht nur das klassische Musikprogramm war genau 100 Jahre alt, auch die Konzertkritik war ein Relikt vergangener Tage, stammte sie doch aus dem „Hannoverschen Anzeiger“ vom 12. Oktober 1898.
Für Kritik gab es an diesem Abend keinen Anlaß – befanden die Besucher und bedachten das Orchester und die Solisten Christiane Frucht (Klavier), Helge Amtenbrink (Violoncello) und Joachim Frucht (Violine) mit viel Applaus.
Am 10. Oktober 1898 hatte der Orchesterverein eine Mark Eintritt verlangt – soviel, wie ein Büroschreiber damals an einem Tag verdiente. Auch am Sonnabend blieb es bei diesem Eintrittsgeld, allerdings wurden auf jede Eintrittskarte 19 Mark als Spende für die HAZ-Weihnachtshilfe aufgeschlagen. Insgesamt kamen rund 4000 Mark in die Kasse, auch begünstigt dadurch, daß die Firmen Poppdruck und die Deutsche Städte-Reklame die Veranstaltung gesponsert hatten. Den estnischen Konzertflügel für Christiane Frucht hatte der hannoversche Klavierstimmer Gerd Finkenstein kostenlos bereitgestellt. Den Transport des schwarzgelackten Klangkörpers von Tallin nach Hannover organisierte die Spedition Hoffmann.
dl (HAZ)
Kritik des Konzertes vom 10.10.1898
Konzert des „Kameradschaftlichen Orchester-Vereins“. Mit einem verhältnismäßig schwerwiegenden Programm begegneten die der Frau Musika mit sichtlichem Ernst und Fleiß ergebenen Kunstjünger – als die Mitglieder obigen Vereins – einer äußerst zahlreich erschienenen Zuhörerschaft, die den Tivolisaal bis auf den letzten Platz in Anspruch nahm. Mozarts gewaltige Jupiter-Sinfonie in C-Dur mit der Schlußfuge bildete die Einleitung und zugleich den künstlerischen Schwerpunkt des Konzertes, das außerdem noch den I. Satz aus Mendelssohns D-moll-Trio op. 49. Klaviersolis, die Serenade für Streich-Orchester op. 63 von Volkmann und als Abschluß nichts Geringeres als den „Huldigungsmarsch“ von Rich. Wagner aufwies.
Herr Rich. Keitel, der jugendliche Dirigent des Vereins, hat auch mit den diesmaligen, höchst respektablen Leistungen des Orchesters zur Genüge bewiesen, daß das zu seinem erwählten Berufe nötige Zeug in ihm steckt. Die Eigenschaften eines guten Kapellmeisters müssen sehr vielseitiger Natur sein. Echtes Musikerblut, angeborenes musikalisches Talent sind die Vorbedingungen; diese werden dann ergänzt durch die sich nach und nach einstellende Routine, Umsicht und ein absolutes Selbstvertrauen.
Mit den angeführten Mitteln kann Herr Keitel schon jetzt stellenweise rechnen, das zeigte die schöne Auffassung der (auch technisch gut ausgeführten) Orchesterpiecen, die Temponahme der letzteren, überhaupt das ganze selbstbewußte Auftreten des Dirigenten, der übrigens auch als Pianist staunenswerthe Fortschritte gemacht hat. Wir hörten von ihm ein Nocturno (Des-Dur) von Chopin und eine Tarantelle von N. Rubinstein, die er mit ausdrucksvollem Anschlag, perlender Technik und der erforderlichen physischen Kraft bewältigte. Die naturgemäß noch fehlende Größe in Auffassung und Empfindung wird sich mit den Jahren bestimmt einstellen.
Ein Klavier im Brunnen
Markuskirche / Die Hannoversche Orchestervereinigung
„Die Markuskirche ist nicht die Carnegie Hall.“ War es eine Entschuldigung, gar eine Warnung, was der Musik mündlich vorausgeschickt wurde? Für die Hannoversche Orchestervereinigung bedeutete der Auftrittsort am Lister Platz die zweite Wahl, für manche der vielen Zuhörer eine besondere Attraktion. Wenig Vergnügen blieb dem Solisten, denn kaum ein anderes Instrument wirkt in der Atmosphäre einer Kirche so deplaziert wie ein moderner Flügel, jenes Instrument, das nicht zuletzt in der bürgerlichen Emanzipation von kirchlicher Allmacht groß geworden ist. Wo Chorstimmen weihevoll verhallen, klingt das Klavier, als sei es in einen Brunnen gefallen.
Markus Becker tat sein Bestes, das Kind, respektive Klavier, aus dem Brunnen zu holen, und setzte in Beethovens viertem Klavierkonzert auf Klarheit. Er strukturierte die Lyrik des ersten Satzes, lotste das Orchester mit markanten Orientierungslichtern durch den Nebel der Passagen. Vom Grundgedanken eines Solokonzertes, dem Wechselspiel zwischen Kollektiv und einzelnem, blieb im Dialog des zweiten Satzes noch am meisten übrig. Dem dunklen Streicherklang stand die lichte Stimme des Pianisten gegenüber, als ginge es doch um Religiöses: Tag und Nacht wurden geschieden. Und in der Zugabe, der letzten Nummer aus Chopins Etüdensammlung Opus 25, meißelte Becker die entscheidenden Töne heraus wie einen Passsionschoral.
Sehr erdennah und farbenreich kamen die Grüße aus der Neuen Welt an, die Antonin Dvoràk einst als neunte Sinfonie über den großen Ozean schickte. Da war zu spüren, dass das Orchester etwas zu erzählen hat. Die Themen Dvoràks, mehr Melodie als sinfonisches Material, erhielten Kontur und Charakter, Übergänge erzeugten Spannung. Heinz Bethmann, als Dirigent eine eher nüchterne Erscheinung, muss über seinen Musikern in den Proben ein Füllhorn von Emotionen ausgeschüttet haben. Kurz vor Schluß mißfiel dann noch ein Handy-Zwischenfall, der erst nach dem dritten Klingeln beigelegt werden konnte. Oder war das etwa der Anruf von drüben? Die Einladung in die Carnegie Hall?
Wet (HAZ)
Orchestervereinigung fährt nach Polen
Die Hannoversche Orchestervereinigung bricht heute zu einer Konzertreise nach Polen auf. In der 120jährigen Geschichte der Vereinigung ist dies eine Premiere. Die 50 Musiker werden bei ihren Auftritten in Breslau und Waldenburg von 22 Mitgliedern des polnischen Sudetenorchesters unterstützt. Als Solist konnte für beide Konzerte das 12jährige Wunderkind Andriej Bielow gewonnen werden. Am 1. Juli wird sich (die) Orchestervereinigung im Großen Sendesaal des Funkhauses mit einem Jubiläumskonzert präsentieren.
Uj (HAZ)
Ansprache des Bundesministers des Innern, Hans-Dietrich Genscher, zur symbolischen Verleihung der Zelter-Plakette und der Pro Musica Plakette
Meine verehrten Damen und Herren,
als ich die lange Liste der Vereine sah, die in diesem Jahr mit der Zelter-Plakette oder mit der Pro-Musica-Plakette ausgezeichnet werden, fiel mir auf, wie viel Kontinuität es in unserem oft als geschichtslos beklagten Lande doch gibt.
184 Chöre und Instrumentalgruppen bestehen hundert Jahre, und viele hundert Vereine, Singgemeinschaften, Laienorchester, bestehen noch viel länger. Viele Bürger identifizieren sich mit dieser Form der Gemeinschaften – und dann doch wohl auch, mit der Geschichte. die sie verkörpern. Das mag vielen nicht einmal übermäßig stark ins Bewußtsein dringen, für mich jedenfalls ist diese eindrucksvolle Kontinuität einer der Stränge, die unserer Gesellschaft die Verwurzelung in der eigenen Geschichte und auf diese Weise einen inneren Zusammenhalt ermöglichen.
In dieser starken Kontinuität aber wird auch der Wandel sichtbar, den Staat und Gesellschaft einerseits, den aber auch Bürger und Geselligkeit andererseits vollzogen haben. Wenn ich einzuschätzen versuche, welche Rolle die Chöre und Musikvereinigungen, als sie vor hundert Jahren gebildet wurden, im damaligen Staate in der damaligen Gesellschaft einnahmen – und wenn ich es vergleiche mit der Rolle oder Funktion, die Sie heute innehaben, dann fällt dieser Wandel ins Auge. Die Gründungszeit der Vereine, die in diesem Jahr ausgezeichnet werden, fällt in eine Epoche, in der im wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Bereich eine wahre Flut von Initiativen losbrach – so heißt diese Epoche auch die „Gründerzeit“, und etwas von ihrem Geist weht uns an, wenn wir uns die Namen der Vereine aus jener Zeit ansehen – der bezeichnende Name lautet „Eintracht“.
Diese Namensgebung deutet an, wie sehr die kurz zuvor erfolgte Lösung der nationalen Frage in Deutschland auf alle Lebensbereiche der Menschen ausstrahlte.
Diese Vereine waren auf eine ganz einfache Weise politisch: Patriotismus beseelte sie, das „Vaterland“ war ein ganz selbstverständlicher Wert, „vaterländische Lieder“ waren Ausdruck echter, noch nicht enttäuschter und noch nicht mißbrauchter Empfindungen.
Das Programm eines Festkonzerts von 1874 würde uns heute mit Recht absonderlich vorkommen – die Einheit von Lied und Empfindung ist für uns nicht mehr wiederzugewinnen – auch das hat eine politische Wurzel: Vereinigungen dieser Art, musische Zusammenschlüsse also, verstanden sich als Teil eines Staatsverständnisses, als Träger und Vermittler eines Staatsgedankens: Volk und Staat.
Das Lied, das sie sangen, war stets ein deutsches Lied, es war, gestatten Sie mir die Bemühung von Kurt Tucholsky, „le lied“, immer eine vom Volksgedanken, vom nationalen Bewußtsein getragene Melodie. Das war nicht sehr völkerverbindend, nicht geradezu grenzübergreifend. Hier wollte eine Nation sich finden, und das Lied war ein Mittel dazu. Auch im romantischen Lied klang immer das Echo jener Aufbruchsstimmung einer noch jungen Nation nach. Das sage ich gar nicht kritisierend, weil ich es nach meinem Geschichtsverständnis gar nicht bemängeln kann und will.
Wir sollten stets versuchen, Geschichte aus sich heraus zu verstehen und nicht unter der erst hundert Jahre später vorhandenen Kenntnis zu deuten. Und unverkennbar ist, daß sich die Deutschen damals als Volk im Aufbruch und nicht als Gesellschaft im Überfluß verstanden.
Das rauschhaft Emporstrebende und das Romantische, wie ich es einmal bezeichnen möchte, ist Wesensmerkmal der jungen Staatsnation gewesen. Die gesamte wilhelminische Epoche schwankt zwischen diesen Strömungen hin und her. Das heißt nun nicht, daß jeder einzelne unserer Urgroßväter, wenn er sang, immerzu nur daran gedacht hätte. Für ihn war es auch zuerst – fast liegt mir auf der Zunge zu sagen: Steckenpferd oder neudeutsch Hobby.
Doch auch in einem so unbewußten Wortgebrauch spiegelt sich die Sinnänderung der Chöre von damals. Es war damals wohl eine der wenigen Möglichkeiten, sich nach einem langen Arbeitstag auf anderes zu besinnen.
Das Angebot der Zerstreuung war wohl um einiges bescheidener als heute – ob man das auch von den Möglichkeiten zur Selbstfindung sagen kann, wage ich zu bezweifeln. Auf jeden Fall war der Weg zum Chor oder zum Orchester fast unvermeidlich, wenn die Musikalität ausreichte, ein Verein bestand und die Neigung vorhanden war.
Anders als damals ist der Weg in einen Chor oder in einen Verein heute ein Entschluß. Denn im reichen Angebot für die Freizeit, vom Kino über das Fernsehen, von der Turngemeinschaft, der Gymnastik- und der Schwimmstunde, vom Abendbummel durch erleuchtete Straßen bis zu Bastelei, vom Konzert bis zum Pop-Abend, von der Hobby-Töpferei bis zur Angebot an Wochenend-Ralley – in diesem Angebot an Versuchungen und Möglichkeiten braucht es wirklich einen Entschluß, der Mädchen und Jungen, Frauen und Männer zu einem Chor oder zu einem Orchester führt. Das ist etwas, was Sie, meine Damen und Herren, eigentlich hoffnungsvoll stimmen müßte, zumal die Tendenz, wenn ich sie richtig sehe, ohnehin alle die Unternehmungen begünstigt, die die Begegnung und das Zusammensein von Menschen voraussetzen und herbeiführen wollen.
Dieses ist ein wirklicher Wandel Ihrer Funktion – denn die Menschen, die zu Ihnen kommen, mögen vielleicht Nostalgie-anfällig sein, aber sie wollen Selbstverwirklichung. Und diese Menschen sind kritische Bürger, sie sind anspruchsvolle Bürger.
Sicherlich sind sie unbequemer als ihre Vorfahren. Und sie prüfen den Ton, den sie anschlagen sollen, eben aus ihrer rationalen Einsicht. Der süße Kitsch, das tönende Pathos hat bei ihnen geringere Chancen. Beides wird von unseren Erfahrungen nicht mehr gedeckt. Was die Großväter gläubigen Herzens sangen, wird von dem modernen Menschen nicht kritiklos angenommen.
Diese Veränderung des Motivs – und ich sage noch einmal: es braucht keine bewußte Veränderung zu sein – hat Ihre Rolle in der Gesellschaft verändert. Es ist nicht umgekehrt, wie manchmal vermutet wird.
Wenn es eine Krise des Laienmusizierens gab, dann doch wohl deshalb, weil eine kleine Zahl den Verein immerzu als in die Wirklichkeit hinübergerettete Vergangenheit, als scheinbar heile Welt, ansah.
Die Diskrepanz zwischen diesem Verständnis und dem eigentlichen Bedürfnis war die Krise der Vereine. Sollte sie ihrem Ende zu gehen, so nur deswegen, weil sich diese Diskrepanz verringert.
Worin also liegt die Bedeutung Ihrer Vereinigungen?
Ich sehe sie zuerst im Individuellen: individuell in ursprünglichen Wortsinn, individuell in der Körperschaft und individuell in Staate und in der Gesellschaft. Individuell im ursprünglichen Wortsinne: damit meine ich, daß sich in ihnen der einzelne Bürger verwirklichen kann, daß er zu sich finden kann.
Zu singen oder zu musizieren ist die Bereitschaft, seine Gefühlswelt bekannt zu machen, zu veräußerlichen, zusammen in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter. Im homo ludens, im spielenden Menschen., äußert sich die volle Persönlichkeit. Und dort erfüllt sie sich. Musik und Gesang werden so verstanden nicht zu Zufluchtsstätten, in denen sich Menschen ihren zivilen Sektor schaffen – oft limits für Fremde.
Um in der aus der Besatzungszeit stammenden Sprache zu bleiben: Musik und Gesang dienen der Fraternisation, der freien Entfaltung und Begegnung mit Menschen.
Hierin sehe ich das Individualistische der Körperschaft: daß sie als Organ an die Öffentlichkeit tritt und einen Bereich des Lebens gemeinschaftlich artikuliert.
Wenn ich vorhin auch von der Individualität Ihrer Vereinigungen in Staat und Gesellschaft sprach, so meine ich etwas, das man bei der knappen historischen Einordnung ihrer Vereinigungen nicht außer acht lassen darf: Vereine waren Vorformen unserer Demokratie. Und sie waren soziale Republiken.
Der zünftige Historiker wird dies vielleicht für einen zu gewagten Satz halten. Soziologisch betrachtet waren die heute hundert Jahre alten Vereine in ihren Anfänger Einrichtungen des kleinen und mittleren Bürgertums, aber sie waren gleichzeitig offen, und das in einer Gesellschaft, in der die soziale Schichtung dem Einzelnen doch fast unüberwindbare Grenzen setzte.
In den Chören und Musikvereinen fanden sich Bürger, Handwerker, Bauern und Proletarier – gleichwie ihr politischer Rang damals war: wenigstens in diesen Formen wurde für Stunden eine sicher verletzliche und verletzbare Gleichheit der Menschen erkennbar.
Sie ist heute zum tragenden Prinzip unserer Gesellschaft überhaupt geworden. Die Chance des Einzelnen muß gewahrt sein – Unterschiede der Menschen bleiben bestehen. Und das muß auch so sein.
Gleiche Ergebnisse bedeuten Uniformität. Und sie setzen auch Uniformität voraus. Soziale Republiken sind die Vereine heute nicht mehr, denn sie sind nicht mehr Inseln der Gleichheit in einem Heer der Ungleichheit. Sie sind Teil der demokratisch geformten Landmasse Bundesrepublik Deutschland. Und dieser Staat braucht zur Existenz genau das, was Ihre Vereinigungen brauchen: er braucht die Bereitschaft seiner Bürger zur Identifizierung. Er braucht ihre Mitwirkung. Er braucht ihr Engagement. So wie sich im Verein der Einzelne verwirklichen kann und dabei lernen muß, daß seine Stimme die der Freunde nicht übertönt – was solistische Leistungen nicht ausschließt, aber die, meine Damen und Herren, brauchen wir auch im Staat – so muß sich auch das gesellschaftliche Verhalten des Einzelnen üben.
Er muß seine Kraft zügeln, wo sie ihm überzuschießen droht: sei es auf der Straße, wo Leistung durch Disziplin gebändigt werden muß, sei es im Geschäftsleben, wo der schiere Egoismus dort seine Grenzen finden muß, wo andere ausgebeutet oder entrechtet werden, sei es im Politischen, wo der Gegenchor, vergleichbar einem Kanon, irritieren mag, wo er aber gleichwohl zum Rhythmus unserer politischen Melodie gehört. Ich denke, daß der Verein, und besonders der um Kulturpflege bemühte Verein, heute wieder die Chance hat, ein tiefes Bedürfnis der Menschen zu erfüllen. Die Sehnsucht nach der Nation, die Freude über ihre endlich erreichte Einheit führte vor 100 und mehr Jahren zu den Vereinsgründungen der „Eintracht“, der „Harmonie“ – der „Germania“ nicht zu vergessen.
Was den Menschen heute zum Verein führt, ist die Sehnsucht nach Kommunikation, nach Mitmenschlichkeit. Im Zeitalter der Massenkommunikation beginnen wir, den Wert des unmittelbaren menschlichen Kontaktes wieder zu schätzen. Massenkommunikation verläuft in einer Einbahnstraße, der Einzelne wird zum bloßen Konsumenten, der Dialog ist ihm abgeschnitten. Auf Dauer reicht das eben nicht.
Es gibt erschreckende Forschungsergebnisse über das soziale Wohlbefinden der Menschen in den so zahlreichen falsch, nämlich als Beton-Wohn-Wüsten geplanten Trabantenstädten und Vorstadt-Siedlungen. Die Menschen dort bemängeln das Fehlen einer sozialen Struktur – vom Kindergarten und vom Altenklub bis zum Verein. Und selbst der eigenen Initiative sind Grenzen gesetzt. Wo sollte etwa ein Gesangverein in einer Neubau-Siedlung seine Proben abhalten? Der humane Städtebau, wie wir ihn heute kennen und fordern, weiß, daß wir im Begriff waren, unsere soziale Infrastruktur, die eben wesentlich von Vereinen getragen wird, zu zerstören. Ich glaube, die Neubesinnung kam gerade noch rechtzeitig.
Das ist die Chance des Vereins, und die Chance des Kulturvereins möchte ich an einem anderen Beispiel zeigen: wenn im Jahr 1974 in einer Großstadt ein !Museum zur römisch-germanischen Geschichte nun schon seit Wochen von den Besuchern gestürmt wird, wenn es wegen Überfüllung schließen muß, dann zeigt das eben, daß sich das kulturelle Betätigungsfeld in unserer Gesellschaft noch nicht auf das Ein- und Ausschalten des Fernsehgeräts reduziert hat, sondern daß noch ein unmittelbares Bedürfnis zur Begegnung mit der Kultur vorhanden ist. Sie sehen, meine Damen und Herren, ein Verein ist mehr als ein Zusammenschluß Gleichgesinnter. Er ist Spiegelbild seiner Zeit und manchmal ist ihre Summe der Vorreiter großer Veränderungen.
Daß Sie in all diesen Veränderungen etwas vom Schönsten unserer Kultur bewahren, pflegen und weitergeben – diese bare Selbstverständlichkeit zu formulieren, wollte ich Ihnen nicht zumuten.
Mir lag daran, Ihnen etwas von meinem Verständnis Ihrer Arbeit zu sagen und auf diese Weise mündlich begründen, was die Zelter-Plakette symbolisch würdigt. Lassen Sie mich damit zur symbolischen Verleihung der Zelter- und Pro Musica Plaketten kommen.
Die Zelter-Plakette erhält der Männergesangverein Bergen von 1874 aus Bergen Landkreis Celle, die Pro Musica Plakette die Hannoversche Orchestervereinigung hier aus Hannover.
Ich darf die Vertreter der Vereine zu mir bitten, um Ihnen Urkunde und Plakette auszuhändigen. Ihnen und den Vereinen, für die Sie die Plakette hier symbolisch entgegennehmen, spreche ich zugleich in Namen des Herrn Bundespräsidenten meine Anerkennung und meine Glückwünsche aus.
Hans-Dietrich Genscher
Am Pult ein neuer Dirigent
Die Hannoversche Orchestervereinigung von 1874 hat als leistungsfähiges Liebhaberorchester für Hannovers Musikleben seine besondere Bedeutung. Als ihr verdienstvoller und unvergessener Leiter Lutz Wilhelm vor einem Jahr starb, galt es den unter seiner Führung erreichten hohen Stand des Könnens zu bewahren.
Im wesentlichen scheint das gelungen, wie das von Heinz Bethmann geleitete Konzert im Kaiser-Wilhelm-Gymnasium erkennen ließ. Wie früher saßen an den Pulten neben den Musikfreunden einige Berufsmusiker, um zu stützen oder die Besetzung zu vervollständigen. Solch beispielhaftes Zusammenwirken fördert das Musizieren eines Liebhaberorchesters beträchtlich.
Als Solist konnte für den Abend Werner Heutling gewonnen werden. Er spielte Mozarts Violinkonzert A-Dur mit bekanntem Feingefühl für Mozarts Stil. Kleine Unebenheiten in der Intonation fielen kaum ins Gewicht; die Linie „stimmte“, und das Orchester begleitete unter Heinz Bethmanns aufmerksamer Führung beachtlich wendig. Bei kleinerer Besetzung wäre der Klang von selbst etwas schlanker geraten, aber in einem Liebhaberorchester kommt man ja nun einmal nicht zusammen, um zu pausieren.
Vorangegangen waren zwei Slawische Tänze von Dvorak (g-Moll op. 46,8 und e-Moll op. 72,2). Auf das Differenzieren im Vortrag legt der Dirigent merklich großen Wert, was zunächst noch zu einigen Überbetonungen führte. Ausgeglichener wirkte zum Abschluss da schon die Wiedergabe der 1. Symphonie von Beethoven.
Fr. (HP)
Freude an der Musik
Orchestervereinigung konzertierte
In der sehr gut besetzten Aula des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums spielte die Hannoversche Orchestervereinigung unter ihrem neuen Leiter Heinz Bethmann ein Programm, das ganz auf die Musizierfreude dieses tüchtigen Liebhaberorchesters abgestimmt war. Gleich der Beginn mit zwei slawischen Tänzen von Dvorak, darunter einem blutvollen Furiant, zündete. Das Orchester musizierte in recht großer Besetzung. In kollegialer Hilfestellung hatten Berufsmusiker Lücken ausgefüllt – ein schönes Zeichen der Anerkennung für die Orchester-Vereinigung.
Als Dirigent hat Heinz Bethmann die Nachfolge des verstorbenen Lutz Wilhelm angetreten. Er hatte die Werke sorgfältig einstudiert und hielt die musikalischen Fäden mit exakter und lockerer Schlagtechnik zusammen. Sicher läßt sich im Verlauf der weiteren Probenarbeit der Orchesterklang noch schlanker formen. Als besondere Leistung des Orchesters wurde Beethovens erste Sinfonie in einer frischen Interpretation vorgestellt. Schwungvoll geriet der dritte Satz, aber auch im Finale schimmerte schöner Glanz durch.
In Mozarts A-Dur Violinkonzert bewies Werner Heutling, daß er ein hervorragender Mozart-Interpret ist. Sein nobler Geigenton wird der empfindungs reichen Melodik Mozarts auf das Schönste gerecht. Da gab es niemals Unterbrechungen der melodischen Bögen, doch immer effektvolle Steigerung durch mustergültige Phrasierungen. Durch Heutlings Solospiel wurde auch das begleitende Orchester hörbar inspiriert. Überaus herzlicher Beifall für alle Mitwirkenden.
L.B. (HAZ)
Geschätzt als Geiger und Dirigent
Abschied von Lutz Wilhelm
Nach längerer, schwerer Krankheit starb im Alter von 71 Jahren der Geiger Lutz Wilhelm, den musikalischen Kreisen Hannovers sowohl als zweiter Konzertmeister des Opernhaus-Orchesters als auch als Dirigent der Hannoverschen Orchester-Vereinigung bekannt und von allen gleicherweise als Künstler wie als Mensch geschätzt. Der 1898 in Hannover geborene Musiker gehörte seit 1924 dem Opernhaus-Orchester Hannover als Kammermusiker an und rückte 1946 an die Stelle des zweiten Konzertmeisters auf.
Er genoß bei den Dirigenten, seinen Orchesterkollegen und beim Publikum ein hohes Ansehen. Als Kammermusiker ist er oft hervorgetreten. Einst war er auch Mitglied des Ladscheck-Quartetts.
Im Jahr 1946 übernahm Lutz Wilhelm als Nachfolger von Emil Taegener die Leitung der Hannoverschen Orchester-Vereinigung, jenes Liebhaberorchesters, das in all den Jahren in ihm einen idealen Dirigenten hatte. So sehr ihm ein geschultes Spiel der Laien am Herzen lag, so sehr lag ihm auch an Wiedergaben vom Niveau eines Berufsorchesters, sei es nach der klanglichen wie der stilistischen Seite hin. Oberstes Gesetz war ihm stets ein gerechtes und miterlebtes Musizieren. Einen besonderen Reiz erhielten diese alljährlichen sinfonischen Konzerte der Orchester-Vereinigung durch den Einbezug von wenig bekannten Werken.
Als perfekter Geiger konnte er den Laien viele Anregungen vermitteln. Seine Konzerte mit der Orchester-Vereinigung waren aus dem hannoverschen Musikleben gar nicht mehr wegzudenken. Nicht selten tauchten in seinen Programmen Raritäten auf, man erinnere sich nur an die Sinfonie von Berwald, das Kontrabaß-Konzert von Haydn, an Beethovens Jenaer Sinfonie oder Schuberts Sinfonie im italienischen Stil. Diese Kostbarkeiten unter Wilhelms temperamentvoller Leitung werden die Musici der Orchester-Vereinigung so schnell nicht vergessen, weil sie durch die pädagogischen Fähigkeiten des Dirigenten zu überdurchschnittlichen Leistungen geführt wurden. Auch gelang es dem Dirigenten immer wieder, für die Solokonzerte interessante Solisten zu gewinnen. Dabei lag ihm stets auch an der Förderung junger Talente.
Im Rahmen dieser Konzerte wurden die Besucher auch mit Musik der leichten Muse erfreut, wobei Wilhelm als Violinist und Dirigent wirkte. Die hannoverschen Musikfreunde haben allen Anlaß, diesen ausgezeichneten Geiger, Dirigenten und Pädagogen nicht zu vergessen.
H.H.
Jubiläum mit Johann Strauß
90 Jahre Hannoversche Orchestervereinigung
Welch großer Beliebtheit und guten Ansehens die Hannoversche Orchestervereinigung sich in der Landeshauptstadt erfreut, bewies der dicht gefüllte große Sendesaal des Funkhauses. Mit einem sehr reichhaltigen Johann-Strauß-Programm wurde das festliche Ereignis des 90jährigen Bestehens dieser verdienstlichen Vereinigung begangen, die nun durch 3 Generationen die besten Liebhabermusiker der Stadt in ihren Reihen zu vereinigen weiß. Seit dem Wiederaufbau des Kulturlebens nach dem Krieg leitet der Konzertmeister des Opernhauses, Lutz Wilhelm, das Orchester zu immer neuen Erfolgen.
Energisch, exakt, und zugleich mit sprühender Musikalität inspiriert Wilhelm seine ihm sehr zugetane Schar, die ihm diesmal mit besonderer Hingabe folgte, wenn er, wie der Walzerkönig, seine Geige an das Kinn nahm und mit wiegender Eleganz die edle Schönheit der Strauß’schen Melodienwelt aufblühen ließ. Man hörte einen durchweg sauberen Orchesterklang, auch das Technische war auf einer erstaunlich guten Höhe, wenn auch die Grenzen der Leistung etwa am Schluß der sehr heiklen Piccicato-Polka deutlich erkennbar waren. Größte Freude bereitete die Solistin des Abends, Harriet Karlsond vom Landestheater mit ihrem geschmeidigen, modu-lationsreichen Sopran, den gestochenen staccati und Koloraturen und einem liebenswürdigen Vortrag. Viel Begeisterung und Beifall nach jeder Nummer, am Schluß gabs als Zugabe den Radetzkymarsch. Wohlgelaunt und frohgestimmt ging man nach Haus.
sk
Festkonzert der Orchester-Vereinigung
Hannoversches Liebhaberorchester feierte 80jähriges Bestehen
Hugo Münstermann, der in der Hannoverschen Orchester-Vereinigung seit 40 Jahren als Bratscher mitwirkt, hat zur 80-Jahr-Feier eine Chronik verfaßt, aus der hervorgeht, daß von den aktiven Mitgliedern zwei fast 20 Jahre, zwei über 25, fünf über 30, zwei über 40 und einer über 60 Jahre der Vereinigung angehören. Dieser treue Stamm der Alteingesessenen an den Streicher- und Bläserpulten zeugt von dem Idealismus, der seit langem diese Vereinigung beseelt. Diese idealistische Hingabe an die Musik – an die alten, klassischen und romantischen Orchesterwerke -, die alle Mitglieder dieses stattlichen Klangkörpers auszeichnet, verdient in unserer Zeit höchste Beachtung, in der die Kenner und Liebhaber, die sich praktisch mit der Musik auseinandersetzen, nur noch dünn gesät sind. Daß aber auch die Jugend die Wich- tigkeit des Musizierens in einem Orchester begreift, dafür bieten die jungen Damen in den Geigen und ein junger Cellist in diesem Orchester Beweise. Möchten doch viel mehr junge Spieler diesem Vorbild folgen. Diesen Wunsch äußerte auch der Vorsitzende, der bewährte und verdiente Konzertmeister Georg Wisler, der bei der zwanglosen Orchesterfeier in der Stadthalle, die vom Geist echter musikalischer Freundschaft getragen war, eine lebendige Ansprache hielt.
Eine letztlich befriedigende und auch die Öffentlichkeit interessierende Orchesterarbeit mit strebsamen Laien-kräften kann nur gelingen, wenn ein Künstler mit tiefen Einsichten und Erfahrungen das Ganze zusammenhält. Im Festkonzert anläßlich des 80jährigen Bestehens der Orchester-Vereinigung im vollbesetzten Beethovensaal spürte man wieder so recht, wie erfolgreich es der Dirigent Lutz Wilhelm versteht, dieses Laien-Orchester zu den besten Leistungen hinzuführen, die unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich sind. Eine solche künstlerische und pädagogische Tätigkeit und Fähigkeit trägt ihren Lohn in sich selbst. Daß Lutz Wilhelm selbst ein hervorragender Streicher ist (erster Geiger im Opernhaus-Orchester), ist für die Vorbereitung der öffentlichen Aufführungen gewiß von entscheidender Bedeutung. Daß es aber den kapellmeisterlichen Tugenden Wilhelms gelingt, seine Musici mit großen Werken fachgerecht bekanntzumachen und sie aufführungsreif zu gestalten, damit möglichst viele Interessenten den Wert und Rang einer solchen idealistischen Musikarbeit erkennen, dafür gebührt diesem Künstler öffentlicher Dank und besondere Anerkennung.
Für eine Jugendsinfonie des „Freischütz“-Komponisten Weber und für Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre einzutreten, dazu gehört Mut. Denn für Laien bergen diese Werke Schwierigkeiten, von denen sich der doppelte Laie (also derjenige, der kein Instrument spielt) gar keine Vorstellung machen kann. Daß aber in Tempo und Dynamik alles so befriedigend glückte, daß alle Zuhörer eine gute Vorstellung vom Wesen der Werke bekommen konnten, das hat die eingehende Probenarbeit zuwege gebracht. Das Gelingen liegt in der Fähigkeit des Dirigenten begründet, seinen Spielern durch seine umsichtige, energische Zeichensprache das Gefühl einer gewissen Sicherheit auch für Stellen der Werke mitzugeben, die außerhalb dessen liegen, was Laienspieler bewältigen können.
Vor einem der schwierigsten Violinkonzerte, die es gibt, vor dem von Brahms, wird jeder einsichtige Laie kapitulieren. Wie wichtig aber ist es für ein Liebhaberorchester – gleichsam als Ausnahmefall – auch daran einmal seine Kräfte zu erproben!
Hans Garvens spielte den Solopart. Das war entscheidend für die künstlerisch bestechende Seite der Darbietung. Seine männlich-beherrschte rhythmische Gestaltung, seine edle, strahlende Tonentfaltung ließen die ungeheuren technischen Schwierigkeiten vergessen, die dieses Werk dem Solisten stellt.
Von den Blumensträußen, die Garvens und Wilhelm überreicht wurden, nahm der Dirigent eine rote Nelke und gab sie als sinnige Auszeichnung dem Oboer, der im langsamen Satz so gut die Solostelle geblasen hatte. Der herzliche Beifall galt ebenso den Leistungen wie dem festlichen Anlaß.
HP / E. Lt.
Sinfoniekonzert mit Hans Garvens
Sinfoniekonzerte, wie sie die Hannoversche Orchestervereinigung einmal im Jahr veranstaltet, möchte man im Musikleben unserer Stadt nicht mehr missen. Auch das Konzert am Sonntag im Beethovensaal zeigte einer großen Zuhörerschaft, wie weit es das idealistische Streben eines Laienorchesters bringen kann, wenn ein Fachmusiker vom Rang Lutz Wilhelms durch systematische Probenarbeit das Beste zu verwirklichen weiß, was unter den gegebenen Umständen möglich ist.
Es kann dabei nicht Aufgabe der Kritik sein, alles Mögliche anzukreiden. Die Musici dieses Orchesters sind alle kritisch genug, genau zu wissen, was an ihren Wiedergaben fehlt, fehlen muß, da sie ja nicht den Ehrgeiz haben, mit ihren Kollegen vom Fach in einen Wettstreit zu treten. Wir müssen froh und dankbar sein, daß es neben den Berufsorchestern solche Laienvereinigungen gibt, sie sich eine so liebenswerte Sinfonie wie die „Kleine C-Dur“ von Schubert erarbeiten oder eine so liebenswürdig-heroische Musik wie eine Balletsuite des alten französischen Komponisten Gretry.
Zudem hatte es der Dirigent verstanden, durch die Heranziehung des Solisten Hans Garvens dem Konzert einen wesentlichen künstlerischen Anziehungspunkt zu verschaffen. Schade, daß sich dieser ausgezeichnete Geiger so selten in Hannover hören läßt. Die Art, wie er das Beethovensche Violinkonzert spielte, und wie Dirigent und Orchester ihm dabei folgten, war höchst einnehmend. Die innere Ruhe, mit der er über alle technischen Schwierigkeiten hinwegkam, seine beseelte Auffassung, sein rein und unforciert schwingender Geigenton, überhaupt seine überlegene geigerische Kultur standen in schönstem Einklang mit dem Werk. Die Zuhörer waren denn auch nicht wenig begeistert.
E.Lt.
75 Jahre Orchester-Vereinigung
Jubiläumskonzert unter Lutz Wilhelm Im Beethovensaal
Georg Wisler, der tüchtige Konzertmeister der Orchester-Vereinigung, nannte in seiner launigen Ansprache einen Liebhaber-Klangkörper ein „empfindliches Gebilde“ und er hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen. 75 Jahre sind eine lange Zeit, sind ein stolzes Jubiläum im Reiche der Musik. Es sitzen in dieser Vereinigung eine ganze Reihe von Spielern, die schon über 25 Jahre treu und redlich mitmachen. Der Cellist Schumacher vom zweiten Pult musiziert 56 Jahre in diesem Kreis. Hier wirken Beamte, Arbeiter, Fabrikanten, kurz die verschiedensten Berufe zusammen, alle vereint durch die unerschütterliche Liebe zur Musik. Dabei hat der Redner von den größten Sorgen gar nicht gesprochen, die diese Vereinigung in der Not dieser Zeit bedrücken. Wahrscheinlich deshalb, um den Gästen die Geburtstagsfreuden nicht zu trüben. Die Notenkalamität ist ein Kapitel, die geliebte Pläne nicht verwirklichen läßt. Die katastrophalste Frage ist die des Nachwuchses. Wo sind die jungen Liebhaber, die in ihrer Freizeit ein Instrument spielen?
Was der Dirigent Lutz Wilhelm unter den gegebenen Schwierigkeiten mit dem Orchester zum Jubiläum erreicht hat, ist aller Ehren, ist aller Freuden wert. Eine solche Gedulds- und Nervenprobe kann nur ein Fachmusiker bestehen, der wie Wilhelm die umfassenden geigerischen Erfahrungen mitbringt, und einen Idealismus an den Tag legt, der heute unter den jüngeren künstlerischen Leuten auszusterben scheint. Als die schönste Gabe des Musizierens möchte ich das Concerto grosso d-moll von Vivaldi bezeichnen, das gar nicht so derb und wuchtig geriet, wie man es gelegentlich in Collegium musicums-Kreisen hört. Hier zeichneten sich die Solisten Wisler und Wendtland (Geige) und W. v. Burchard (Cello) durch beachtliche Einfühlungsgabe aus. Wenn erst noch ein Continuo-Instrument (es braucht nicht unbedingt das Cembalo, es kann auch das behutsam angeschlagene Klavier sein) zugezogen wird und von allen noch etwas zarter, edler, „italienischer“ gespielt zu werden vermag, dann könnte die Wirkung noch erhöht werden.
Im piano-Spiel (dieser leidigen Misere jedes Liebhaber-Orchesters) hat es Wilhelm mit seinen Spielern seit dem letzten Mal schon weitergebracht. Das Haydn-Konzert wurde respektabel begleitet. Die Bläser sind in punkto Rhythmus mehr auf Draht als im cantablen Spiel und in der hellhörigen Intonation. Dafür sitzen an diesen Pulten auch eine Reihe der „jüngsten Jubilare“, die z. T. noch studieren und einmal Musiker werden wollen. Der vortreffliche Solo-Cellist Willi Maul spielte das berühmte Werk mit blühendem Ton und einer handwerklich überlegenen technischen Geschicklichkeit. Mit Schuberts „Fünfter“ klang das Konzert aus. Es hat einen Gesamteindruck hinterlassen, der dem Dirigenten zur Ehre gereicht und einen Erfolg erzielt, auf den jeder einzelne Mitspieler stolz sein darf.
E. Lt.
Hannoverscher Instrumental-Verein – Konzertreise nach Göttingen
Vorankündigung im Göttinger Anzeiger (Deutscher Garten. Hannoverscher Instrumentalverein)
Ein ganz besonderer Kunstgenuß wird uns im Laufe der nächsten Zeit geboten werden durch die Veranstaltung eines Wohlthätigkeitsconcertes zum Besten der Armen Göttingens von Seiten des Hannoverschen Instrumental Vereins im ..Deutschen Garten.
Der Hannoversche Instrumentalverein, welcher vor kurzem das test seines 15-jährigen Bestehens durch ein Concert und eine größere Festlichkeit beging, gehört in Hannover zu den beliebtesten und bekanntesten Vereinen. Der Verein, welcher mehr als 70 active Mitglieder zählt, besieht aus Herren der ersten Gesellschaftskreise Hannovers und pflegt mit großem Eifer das Orchesterspiel.
Er gibt in jeder Saison mehrere öffentliche im großen Style gehaltene Orchesterconcerte, meistens unter Hinzuziehung erster Künstler oder Künstlerinnen. Die Concerte erfreuen sich einer außergewöhnlichen Beliebtheit Seitens des Publikums und sind stets sehr zahlreich besucht, auch finden dieselben ausnahmslos für wohlthätige Zwecke statt.
In jedem Sommer pflegt der Verein eine Sommervergnügungstour zu unternehmen und ist mit dieser Reise gleichzeitig gewöhnlich ein Concert verbunden. In diesem Jahr hat der Verein beschlosseneren Ausflug nach Göttingen zu machen, um auch hier am Sonntag, den 16. Juli, zum Besten der Göttinger Armen ein Concert zu veranstalten.
Der Verein wird in ähnlicher Weise wie der Hannoversche Männergesangverein früh von Hannover abfahren, um von Nörten aus über den Hardenberg, die Plesse, Weendespring nach hier zu gelungen. Das Mittagsessen werden die Herren gemeinschaftlich im Deutschen Haus einnehmen. Das Programm des Concertes, worauf wir später zurückkommen werden, ist ein sehr gewähltes.
Außer einem sehr interessanten Orchesterprogramm werden wir auch drei hervorragende Solisten des Königl. Orchesters, die Herren Meuche (Violine), Sobeck (Clarinette) und Rammelt (Trompete) zu hören bekommen, so daß zu erwarten ist, daß wir einem sehr genußreichen Concerte entgegensehen. Nach dem gegen 20 Uhr erfolgenden Schlusse des Concertes werden sich die Künstler noch zu einem Festcommerse, bei welchem weitere Vortrage folgen werden und hei welchem Freunde der Musik und des Gesangs gern willkommen sind, vereinigen.
(Hannoversches Tageblatt)